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Archiv-Artikel

Der Rauchwurst-Protest

Seit 1. März herrscht in allen Arbeitsräumen der taz in Berlin Rauchverbot. Was das bringt? Eine Bilanz nach drei Wochen

Die taz stinkt nicht mehr so. Jetzt hat sie nur noch den Ruf zu verlieren, der ihr weiter hartnäckig vorauseilt: Hier würde alles gequalmt, was brennt, die Redakteure hätten gelbe Bärte und Haare, beige Zähne und dunkelorange Finger. Für den Nichtraucher würde nur ab und an ein Fenster aufgerissen und so lange arktische Winterluft in seine Lungen gepumpt, bis er schließlich, selbst fröstelnd, um die Nebelwand anstelle der kalten Luft bettele. Dieses Image verbreiteten auch Ex-tazler weiter, die neuen Anwärtern sogar den Tipp gaben: „Schreib in deine Bewerbung, dass du Raucher bist.“ Aber die Zeiten ändern sich – auch in der taz. Seit dem 1. März herrscht absolutes Rauchverbot in allen Arbeitsräumen. Damit folgt die taz der im Oktober 2002 in Kraft getretenen Arbeitsstättenverordnung zum Nichtraucherschutz.

Im gleichen Atemzug gab die Geschäftsführung aber auch bekannt, dass „den Belangen der Raucher durch Einrichtung folgender Raucherzonen Rechnung getragen wird: Altbau: Hinteres Treppenhaus gesamt. Vorderes Treppenhaus: Absatz zwischen 5. Stock und 6. Stock an der Tür zur Dachterrasse, Neubau: Nottreppenhaus gesamt, Balkone, Dachterrasse“.

In den ersten drei rauchfreien Wochen hat sich jedoch mit großer Selbstverständlichkeit ein anderer Ort als Dunstinsel herausgebildet: das taz-Bistro im 1. Stock. Schon nach der Morgenkonferenz versammelt sich hier die gemeine Raucherspezies in Pulken zum Glimmen – und das findet Nancy, die Bistrobetreiberin, selbstverständlich gar nicht gut. Zwar ist die Kantine als Rauchzimmer nur eine Übergangslösung mit der ausdrücklichen Einschränkung, dass im direkten „Küchenbereich“ nicht geraucht werden darf, aber der Raum ist ungeteilt und deshalb nützt das nicht viel. Die Schwaden verteilen sich genüsslich bis ins hinterletzte Ritzchen.

Die Debatte um die neue Regelung hat hier ihr Zentrum gefunden. Während die einen über Umbaumaßnahmen nachdenken („Hier müsste einfach mal ’ne Belüftungsanlage rein“) und sich mit tränenden Augen amüsieren („Vielleicht sollten vormittags nur die mit Nachnamen von A bis K rauchen und nachmittags die von L bis Z“), wedeln die Nichtraucher nur angewidert mit der Hand vor der gerümpften Nase und verlassen den Raum mit einem genervten „Das ist echt ’ne Scheißluft hier drinnen“. Kein Konsens zeichnet sich auch auf der Brotvitrine neben der Kaffeequelle ab. Hier ist eine Aufklebersammlung angebracht. Es sind todesanzeigenartige, schwarz umrandete Warnungen, wie sie auf jeder Zigarettenschachtel zu finden sind. Nur dass subversive Elemente darin herumgekritzelt und Fälschungen untergemischt haben. Jetzt steht da: „Rauchen-Schilder fügen Ihnen und den Menschen in Ihrer Umgebung erheblichen nervlichen Schaden zu.“ Und direkt daneben: „Rauchen kann Frauen zum Tragen erotischer Unterwäsche verführen“.

„Ich kann nur an euch appellieren, auch mir das Recht auf einen rauchfreien Arbeitsplatz zu gönnen“, schrieb Nancy kürzlich in einer Rundmail und erntete viel konstruktive Resonanz: „Ich schlage vor: Nancy schmiert nur noch Brote mit Rauchwurst, bis der Raum rauchfrei ist …“ Auch Mark Twain wurde zitiert: „Mit dem Rauchen aufzuhören ist ganz einfach. Ich hab es schon hundertmal geschafft.“ Bisher sieht es hier immer noch so aus, als würde eine Nebelmaschine für die nächste Party ausprobiert, denn die Aschenbecher haben in der Kantine Hochbetrieb. Daran wird sich in Zukunft wohl einiges ändern müssen – die Suche nach einem geeigneten Raucherzimmer geht in die zweite Runde.

Bastelt die taz derweil schon an einem neuen Image? Immerhin musste vor nicht geraumer Zeit ein Praktikant für einen Redakteur einen Kalender mit nackten Feuerwehrmännern und neue CDs von Caterina Valente und K. D. Lang bestellen. Gleichzeitig wurde eine Praktikantin am späten Nachmittag zu Lidl geschickt, um zwei Sixpacks Bier zu holen – das Pfand von zwölf leeren Flaschen konnte sie dabei direkt zurückbringen, und zwar in einem großen blauen Müllsack. Immerhin hat man sie anschließend gefragt: „War dir das jetzt nicht peinlich?“ ANNA STARK