: Exzessive Luftverfremdung
Duft als elegant gemeinte Verkleidung der anderen Art: Das Museum für Kunst und Gewerbe sucht in seiner großen„Parfum“-Ausstellung Gerüche sichtbar zu machen. Und wandelt stetig auf dem Grat zwischen Kunst und Design
von Marek Storch
„Verführung“ – der süße Duft des langsamen Umgarnens liegt schwer über der Ausstellung „Parfum“. Man schreitet durch die Räume des Museums für Kunst und Gewerbe, anfangs mit wachem Blick, doch irgendwann erliegt man den Verführungsversuchen des Parfums. Duftig und atmosphärisch präsentiert man die Exponate, Hunderte von Flakons, Anzeigen aus Magazinen, Werbespots auf Videoleinwänden, Ausschnitte aus Kinofilmen.
Alle diese Exponate flüstern: „Kauf mich – dann wird es Dir besser gehen!“ Natürlich ist für jeden etwas dabei: der homoerotische Anzeigen-Matrose von Gaultier, die Imagekampagnen von Chanel, die jungen, sympathischen Amerikaner der Tommy Hilfiger-Werbung, die in rotes Licht getauchten, lüsternen Frauen von Gucci. Ein Gang durch diese Ausstellung ist ein Gang durch die Geschichte der Werbung und des Designs. Historische und zeitgenössische Flakons und Verpackungen, die Arbeiten des Art Déco-Glaskünstlers René Lalique etwa oder Flakons von Chanel und Guerlain aus den Zwanzigern bis zum „Opium“-Flakon für Yves Saint Laurent: Design, aufwändig inszeniert und illuminiert, nimmt den größten Teil der Schau ein.
Auch die Werbefotografie hat mit Herb Ritts oder Irving Penn in dieser Ausstellung ihren großen Auftritt – und man erinnert sich wieder, dass die Grenzen zwischen Kunst und Werbung schon lange fließend sind. Die klassischen Schwarzweißfotografien von Bruce Weber oder Richard Avedon, entstanden für Kampagnen von Calvin Klein, unterscheiden sich zum Beispiel kaum von den freien Arbeiten der Fotografen, eine Fotoserie von Jean-Baptiste Mondino für Gaultier von 1999 zitiert ganz offensichtlich den surrealistischen Fotografen Man Ray.
So schwebt man durch die Räume, schnuppert (vor allem) Pariser Duft-Luft und schreitet durch die museal aufbereitete Inszenierung der Glitzerwelt aus Models, edlen Interieurs, exzentrischen Haarschnitten und teuren Kleidern, entdeckt verblüfft die Düfte, die man vor 15 Jahren so gerne roch.
Parfumdesigner, die ja meistens auch Modedesigner sind, erzählen in Interviews gern, dass der schönste erinnerte Duft der einfache Duft ihrer Kindheit sei: die Seife der Mutter, der Rasierschaum des Vaters. Da stellt man sich – ganz abgesehen von der Diskussion um Lücken im deutschen Tierschutzgesetz, das Tierversuche für die Entwicklung von Kosmetika immerhin seit 1998 verbietet – schon die Frage: Parfum, brauchen wir das überhaupt? Wenn Sie männlich und sich nicht ganz sicher sind: Lassen Sie‘s einfach. In dem amerikanischen Klassiker „Joy Of Sex“ steht es schon auf einer der ersten Seiten: Männer, die sich auf ihren eigenen Duft verlassen, haben mehr Schlag bei den Frauen.
Da war der anonyme Töpfer, der vor etwa 2.000 Jahren einem Salbölgefäß die Konturen des Gottes Eros gab, offenbar anderer Meinung: Düfte verzaubern, lassen ihre Träger sinnlicher erscheinen, so glaubt man bis heute. Doch wissen wir auch: Zuviel ist manchmal einfach zuviel. Dieser Hamburger Museumsmorgen ist ein gehöriger Angriff auf den Geruchssinn. Nicht nur die Besucher haben sich mehr als nötig eingedüftelt. Vor allem ein „Duftraum“ mit zehn Hochleistungsduftspendern, das Finale der großen, sehenswerten Schau, erzeugt eher Schwindelgefühle als Verführerlaune.
Di–So 10–18, Do bis 21 Uhr, Museum für Kunst und Gewerbe; bis 24.4.„Schnupper-Tag“ mit Live-Düften aller Art: Sa, 19.3., ab 10 Uhr