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Archiv-Artikel

Aktiv Passivhäuser bauen

Extrem Energie sparende Bauten werden populärer – doch die Zahlen liegen nicht so hoch, wie die Branche vor einigen Jahren prognostizierte. Dabei ließen sich damit effizient Ressourcen schonen

VON BERNWARD JANZING

Es ist ein schönes Terrain für Zahlenspiele. Ein Raum mit 20 Quadratmetern ließe sich selbst im Winter alleine mit der Abwärme von zwei klassischen Glühbirnen beheizen – 140 Watt sind genug. Einem Raum von 30 Quadratmetern würde es schlicht reichen, wenn sich zwei Menschen darin aufhalten – deren Heizleistung: jeweils 100 Watt.

Passivhäuser heißen diese Wunderwerke der Baukunst. Passiv, weil sie dank bester Dämmung keine klassische Heizung mehr benötigen. Sie sind eine konsequente Weiterentwicklung des Niedrigenergiehauses und brauchen daher nur noch 15 Kilowattstunden Heizenergie pro Quadratmeter jährlich – das entspricht einem Heizölverbrauch von kaum 1,5 Liter je Quadratmeter. Häuser nach der aktuellen Energieeinsparverordnung dürfen noch das Fünffache verheizen. Und in Altbauten werden oft mehr als 300 Kilowattstunden verbraten – dort verschlingt ein einziger Quadratmeter mehr Heizenergie als im Passivhaus ein ganzer Wohnraum.

Die Vision von der Energieeffizienz am Bau ist längst Realität. Allein in Deutschland stehen heute mehr als 4.000 Wohneinheiten in Passivbauweise als frei stehende Einfamilienhäuser, Reihenhäuser oder Wohnungen. Auch Verwaltungsgebäude nach Passivhaus-Standard gibt es bereits; das erste Europas wurde 1998 in Cölbe bei Marburg bezogen. In Ulm steht unterdessen das bisher größte Passivbürogebäude namens Energon: Fünf Geschosse bieten Platz für 420 Mitarbeiter. Und in Tübingen wurde erstmals ein bestehendes Bürogebäude auf Passivhaus-Standard aufgerüstet – trotz Auflagen des Denkmalschutzes.

Auch sparsame Schulgebäude sind bereits auf diese Weise realisiert; das erste entstand in der badischen Kreisstadt Waldshut-Tiengen. Der Neubau der Justus-Liebig-Berufsschule mit einer Nutzfläche von 3.600 Quadratmetern ist seit April 2003 bezogen. 600 Schülerinnen und Schüler werden darin unterrichtet. Gegenüber einem konventionellen Bau spart der Landkreis jährlich 40.000 Liter Heizöl bei einem Mehrpreis der Investitionen von rund einer Million Euro.

So hat der Passivhaus-Standard inzwischen praktisch alle Anwendungsbereiche erfasst. Sogar ein Passivhaus-Altenpflegezentrum gibt es bereits (Mönchengladbach-Neuwerk). Und in Österreich, so lässt das Passivhaus Institut in Darmstadt wissen, gebe es einen Supermarkt in Passiv-Qualität, ein Golfklubhaus und eine Imbiss-Bude.

Längst wissen Bauexperten: Passivhäuser werden die Baukunst des 21. Jahrhunderts prägen. Doch es geht dabei nicht nur um die Heizenergie. Auch darf der gesamte jährliche Primärenergiebedarf pro Quadratmeter Wohnfläche 120 Kilowattstunden für Raumheizung, Warmwasserbereitung und Haushaltsstrom nicht überschreiten. Damit wird in einem Passivhaus insgesamt weniger Energie verbraucht als in durchschnittlichen Neubauten allein für Haushaltsstrom und Warmwasserbereitung.

Die Technik ist noch jung. Bis zum Jahr 1997 wurden in Deutschland gerade 31 Passivhäuser erbaut, 1998 waren es bereits 79 Gebäude. Steil geht seither die Kurve nach oben: „Wir haben jährliche Wachstumsraten von 100 Prozent“, freut sich Sabine Stillfried vom Passivhaus Institut in Darmstadt.

Gleichwohl geht die Entwicklung langsamer als erhofft. In einer Befragung des Freiburger Büros für Solarmarketing unter Bauträgern und Fertighausfirmen hatten im Jahre 1999 beachtliche 60 Prozent der 45 befragten Unternehmen für das Jahr 2005 mit einem Marktanteil der Passivhäuser von 5 Prozent oder mehr gerechnet. Bis zum Jahr 2010 erwarteten sie einen Marktanteil zwischen 11 und 23 Prozent. So kam die Studie zu dem Ergebnis, dass bis 2004 bundesweit zwischen 12.000 und 24.000 Passivhäuser entstehen würden; weitere 40.000 bis 80.000 wurden bis 2010 prognostiziert – Einschätzungen, die sich trotz gestiegener Energiepreise inzwischen als zu optimistisch erwiesen.

Dafür gibt es zwei Gründe. Erstens stand beim Thema Passivhaus der Neubau immer viel zu sehr im Vordergrund. Da die Zahl der Neubauten in Deutschland aber zurückgeht und in einer bald schrumpfenden Gesellschaft weiter abnehmen wird, kann der Durchbruch einer neuen Technik sich kaum auf Neubauten stützen. Zweitens ist auch allzu konservatives Denken unter Architekten und Planern eine Ursache für die geringen Marktanteile der Passivhäuser. So beharren die meisten Architekten auf ihren althergebrachten Bauweisen, obwohl sich die Passivbauweise längst finanziell lohnen kann.

Bei 8 bis 15 Prozent liegen zwar die Mehrkosten, rechnet das Darmstädter Passivhaus Institut vor. Für ein Musterhaus, eine Doppelhaushälfte mit 130 Quadratmeter Wohnfläche, sind das rund 20.000 Euro. Da die Förderkredite der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) für Passivhäuser aber günstiger sind als marktübliche Hypotheken-Darlehen (derzeit liegt der Zinssatz je nach Laufzeit zwischen 2,53 und 2,96 Prozent effektiv), muss die monatliche Belastung trotz Mehrinvestition nicht höher liegen als beim Kauf eines konventionellen Hauses. Somit bleiben dem Passivhausbesitzer die geringeren Energiekosten als Reingewinn – in dem Musterbeispiel belaufen sie sich auf jährlich rund 900 Euro.

Doch während im Wohnungsbau – auch vorgeschrieben durch die Energieeinsparverordnung – die Energieverbräuche stetig gesenkt wurden, steht im Bürosektor ein fataler Trend entgegen: Immer mehr Architekten geht am Reißbrett die Fantasie durch und sie ignorieren grundlegende physikalische Kenntnisse.

Die haarsträubendsten Resultate solcher architektonischer Unfähigkeit stellte jüngst das Darmstädter Institut Wohnen und Umwelt zusammen: neue Bürogebäude in Deutschland, die im Jahr zwischen 300 und 700 Kilowattstunden Energie pro Quadratmeter benötigen. Das ist mehr als mancher hundertjährige Altbau an Heizwärme verschlingt und bis zu 50-mal so viel, wie ein Passivhaus benötigt. Für die Freunde energieeffizienter Baukunst ist das ein untrügliches Zeichen. Expertin Stillfried: „Wir müssen noch viel Aufklärungsarbeit leisten.“

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