: Auf nach Molwanîen!
Das Highlight der Internationalen Tourismus-Börse: die Präsentation des ersten Reiseführers über „Molwanîen – das Land des schadhaften Lächelns“. Ein gewöhnungsbedürftiges Land in Osteuropa, für aufgeschlossene Touristen garantiert ein Erlebnis
VON MARTIN BÜCHLER
Von der Hauptstadt Lutenblag bis zu den Postenwalj-Bergen ganz im Süden reicht Molwanîen, das Land irgendwo im Osten Europas. Auf der Internationalen Tourismusbörse in Berlin wurde der erste Reiseführer dorthin vom Staatspräsident persönlich nebst Sohn präsentiert. Bereitwillig gaben sie Auskunft über das Land, dessen große Ebenen, dank ihrer unvergleichlichen Ödnis und Langeweile, von der Unesco zum Weltkulturerbe erklärt wurden. Ein Highlight der Messe.
„Molwanîen – das Land des schadhaften Lächelns“ von Santo Cilauro, Tom Gleisner und Rob Sitch ist ein Buch voller Information. Der kreativste Reiseführer aller Zeiten. Vom Cover grinst ein zahnloser alter Herr mit Pelzmütze. Ein ausdrucksstarkes Foto, ein Foto wie das Kurzporträt des Landes: Es ist ein eindeutiger Verweis auf die schlechte medizinische Versorgung, auf die noch immer stark agrarisch orientierte Lebensweise der Molwanîer und eine Andeutung der kalten Winter.
„Molwanîen“ ist ein ganz normaler Reiseführer über Kultur und Sehenswürdigkeiten und die Geschichte des Staates unter dem Zeichen von Hammer, Maurerkelle und Sichel. Das abwechslungsreiche Land wird von den „felsigen, größtenteils unfruchtbaren Ebenen“ bis zu den „felsigen, größtenteils unfruchtbaren Bergen“ in seiner ganzen Vielfalt dargestellt. Der Leser erfährt, dass die Metropole Lutenblag nach einem großen Brand 1951 wieder aufgebaut wurde – vollständig in Beton. Besichtigt werden kann unter anderem einer der ältesten Atomreaktoren der Welt, der noch immer in Betrieb ist: komplett mit Rissen aus den 60er-Jahren.
Auch sonst ist Molwanîen technologisch auf der Höhe der Zeit: Die Stromspannung beträgt 37 Volt, Radio ist über Sprechfunk oder Kurzwelle zu empfangen, und zwischen den Städten Lutenblag und Svetranj gibt es eine Autobahn aus Kopfsteinpflaster.
Gewöhnungsbedürftig, aber für aufgeschlossene Touristen sicher ein kulinarisches Erlebnis dürften auch die Ess- und Trinkgewohnheiten der Molwanîer sein. Bereits zum Frühstück gibt es ein Glas „Zeerstum“, ein Knoblauchschnaps mit einem gewissen Kerosinanteil, der eher zur äußerlichen Anwendung geeignet ist. Echte Molwanîer essen gerne außer Haus, am liebsten aber außer Landes!
„Molwanîen – Land des schadhaften Lächelns“ ist ein Reiseführer voller Seitenhiebe auf osteuropäische Staaten. Er bestätigt alle Klischees, die man über postkommunistische Zwergstaaten haben kann. Wer nach Molwanîen reisen will, hat nur ein Problem: Molwanîen gibt es gar nicht. Das osteuropäische Land ist eine Kopfgeburt, eine Erfindung der australischen Komiker Santo Cilauro, Tom Gleisner und Rob Sitch. In ihrer Heimat wurde das Buch bereits rund 400.000-mal verkauft – jetzt erschien die Reiseführer-Satire auch auf Deutsch.
Das Buch nimmt nicht nur die Gepflogenheiten eines osteuropäischen Kleinstaates auf die Schippe, sondern auch Stil und Inhalt gängiger Reiseführer. Und wenn in der Rubrik „Phillip schreibt“ das wahre Reisen verteidigt wird, dann weiß der Tourist, was ihm drohen kann, wenn er sich auf Sitten und Gebräuche und vor allem auf schlechte, familiengeführte Unterkünfte einlässt. Er verliert dabei unter Umständen nicht nur den Geldbeuteln und den Pass, sondern obendrein auch ein Niere.
„Molwanîen“ ist der ultimative Reiseführer für zu Hause. Der witzigste ist es sowieso.
Santo Cilauro, Tom Gleisner, Rob Sitch: „Molwanîen – Land des schadhaften Lächelns“. Übersetzung aus dem Englischen von Gisbert Haefs. Heyne Verlag, 2005, 176 Seiten, 14,90 €