: Vorerst Pustekuchen mit den Nebelwerfern
Wie können Atomkraftwerke vor terroristischen Anschlägen mit Flugzeugen geschützt werden? Während der niedersächsische Umweltminister Hans-Heinrich Sander (FDP) darauf setzt, das AKW Grohnde mit einer Nebelmaschine für ein paar Minuten unsichtbar zu machen, hält Bundesumweltminister Jürgen Trittin (Grüne) diese Methode für unwirksam
Sie sind sich einfach spinnefeind: Wenn der niedersächsische Umweltminister Hans-Heinrich Sander (FDP) den Bundesumweltminister Jürgen Trittin (Grüne) auf einem Empfang anspricht, wendet der sich gerne demonstrativ ab. Erneut sind die beiden jetzt beim Thema Schutz von Atomkraftwerken aneinander gerasselt. „Wirksame Sicherheitsmaßnahmen statt Nebelkerzen“, ätzte Trittin am Freitag per Pressemitteilung Richtung Hannover. „Herr Sander wäre gut beraten, sich aktiv um die Verbesserung der Sicherheit von Atomkraftwerken zu kümmern“, ließ Trittin erklären. Und: Mit einem „symbolischen Nebelschutz“ würde er sich nicht zufrieden geben.
Wie sicher sind die 18 deutschen Atommeiler, wenn sie von einem Todespiloten angeflogen werden? Eine Studie der Gesellschaft für Anlagen- und Reaktorsicherheit (GRS) über die Terror-Anfälligkeit der Atomkraftwerke war zu dem Schluss gekommen, dass bei einem Angriff keines der AKW supergau-fest wäre. Im vergangenen Sommer erinnerte Trittin alle fünf Bundesländer, in denen Reaktoren stehen, noch mal an ihre Aufsichtspflichten, weil sie aus der Studie keine Konsequenzen gezogen hätten. Im Januar verabschiedete der Bundestag das neue Luftsicherheitsgesetz, nach dem Todesmaschinen von der Luftwaffe abgeschossen werden dürfen.
Eigentlich wollte Sander Eon, dem Betreiber des AKW im niedersächsischen Grohnde, die Erlaubnis geben, im kommenden Juni eine Nebelwerferanlage zu installieren – es wäre die erste in Deutschland. Im Fall eines drohenden Terrorangriffs soll eine solche Anlage in der Lage sein, ein Kraftwerk per künstlichem Nebel quasi unsichtbar zu machen.
Vor knapp zwei Wochen forderte Trittins Haus aber von den Niedersachsen, erst mal festzustellen, wie hoch denn „die von der Luftverteidigung abhängige Anzahl von terroristischen Anflügen“ in der AKW-Umgebung sei. Und wie viele „tief fliegende Luftfahrzeuge“ es dort gebe. In Hannover sah man in dem Schreiben einen Affront. „Wir sollen uns bei Struck und Schily erkundigen, wie groß die Wahrscheinlichkeit eines Terrorangriffs ist. Das kann doch der Trittin viel besser selber machen“, heißt es aus dem Ministerium. Der Grüne baue immer höhere Schikanen auf, um die Sicherheitskosten für die Betreiber ins Unendliche zu treiben. Das Landesumweltministerium schickte vergangenen Donnerstag eine bitterböse Antwort an Trittins Staatssekretär Jürgen Baake. Darin heißt es, die „Anforderungen an die hier vorzunehmenden Prüfungen“ würden dazu führen, dass die „in absehbarer Zeit möglichen Verbesserungen des Schutzes gegen einen terroristischen Angriff mit einem Verkehrsflugzeug ohne Grund verhindert werden“. Klartext: Wenn Trittin auf weiteren Untersuchungen besteht, ist erstmal Pustekuchen mit den Nebelanlagen. Damit auch Gerhard Schröder erfährt, wie wenig Trittin die Sicherheit der Deutschen nach dem 11. September wert ist, erhielt auch Kanzleramtsminister Frank-Walter Steinmeier eine Kopie des Brandbriefs.
In Trittins Haus geht man jedoch davon aus, dass die Nebelanlagen nur ein kleiner Teil eines Sicherheitskonzepts sein können. Immerhin: Die Wahrscheinlichkeit, dass ein gezielter Angriff mit einem Passagierflugzeug zu einer nuklearen Katastrophe führt, sinkt laut Gutachten bei einem vernebelten Kraftwerk auf zehn Prozent. Allerdings nur dann, wenn der Terrorpilot keine Kurven fliegen kann. Da sich der künstliche Nebel nach drei Minuten auflöst, endet nämlich der Schutz, wenn das Flugzeug vor dem Absturz noch eine Schleife dreht. Moderne Satelliten-Navigationssysteme ermöglichen auch bei Nebel ein metergenaues Navigieren. Fragt sich nur, ob sich ein Todespilot mit dem GPS auskennt.
Sander wäre „bis heute nicht der Aufforderung durch das Bundesumweltministerium nachgekommen, die von ihr beaufsichtigten Atomkraftwerke auf die Möglichkeiten weitergehender Schutzmaßnahmen anlagenspezifisch zu untersuchen“, ließ also Trittin erklären. Und: „Ohne den Nachweis der Wirksamkeit der Maßnahmen wird es keine Genehmigung durch das Bundesumweltministerium geben“.
Kai Schöneberg