: Blinder Fleck Leben
Kein Liebesfilm, sondern einer über ihre Unmöglichkeit: Michael Klier präsentiert „Farland“ im Abaton
In dieser leeren Stadtranddisko „Relax“ ist kein Leben, auch wenn man sich mit dem Interieur Mühe gegeben hat. Doch nicht nur die Disko ist ein Unort – alles hier ist ohne Wärme: Supermärkte, leere Autobahnhotels und Einkaufszentren wechseln mit tristen Neubaugebieten und struppigen Brachflächen. Eine nachmoderne, brandenburgische Brutalcollage, in der das Blut gefriert.
Farland: weites, totes Land. „Eine Art Fehlplanung, hingeknallt ins Nichts“, sagt Regisseur Michael Klier, der mit Filmen wie Ostkreuz, Heidi M. und Überall ist es besser wo wir nicht sind bekannt geworden ist. Inmitten dieses Selbstmordszenarios lässt Klier seine Protagonisten nach Leben schreien. „Kannst du mich mal anfassen? Ich will wissen, ob ich noch lebe“, wird Richy Müller als Axel einmal sagen. Der ganze Film ist, wie dieser Satz klingt.
Nach Farland zieht man nicht, hier ist man nur Gast. Der im vergangenen Jahr entstandene Film beginnt mit der Katastrophe: Ein Auto überschlägt sich, zwei der jungen Insassen liegen im Koma. In der Intensivstation treffen sich Axel, der am Bett seines Sohnes wacht, und Karla, gespielt von Laura Tonke, die nach zwei Jahren Messejobs zurückgekehrt ist, um auf ein Lebenszeichen ihrer Schwester zu warten.
Die Erzählstränge sind gewunden, das Schauspielerpersonal Kliers beeindruckend, doch eigentlich ist Farland der Film von Axel und Karla. Vor allem der Film des seelengepanzerten Axel, dessen Leben so am Tropf hängt wie sein verunglückter Sohn – in dessen Notizbuch nichts steht; das so leer ist, wie sein Vater sich fühlt. Kein deutscher Schauspieler hätte Axel zwingender spielen können als Richy Müller.
Axel und Karla finden allmählich zusammen, in beinahe zärtlichen, irritierenden Gesprächen über eine Unterwassertherapie, welche die Urreflexe der Komapatienten anregen soll. Und beide wissen, das auch ihr eigenes Leben einer Therapie bedarf. Wenn, ganz am Ende des Films, Axel mit verbundenen Augen inmitten einer Gruppe Blinder Fußball spielt, dann ist das nicht nur eine wirklich große Filmsequenz, sondern eines der vielen Symbole, die diesen Film zu einem packenden Bilderrätsel machen. Farland ist keine Liebesgeschichte, sondern ein grausamer, poetischer Film über ihre Unmöglichkeit. Das Leben ist ein blinder Fleck. Und diese Einsamkeit wird immer bleiben.
In der Abaton-Reihe „Lola-Festival“ zur Verleihung des Deutschen Filmpreises stellen Regisseur Michael Klier und Laura Tonke, nominiert als beste Darstellerin, ihren Film am Dienstag persönlich vor. Marek Storch
morgen, 22.3., 17.45 Uhr, Abaton