: Pfeifen im Wald
Der amerikanische Spielfilm „Angst über Amerika“ (22.15 Uhr, ZDF) zeigt beängstigende amerikanische Ängste
Wenn es heute zu einem terroristischen Anschlag kommen sollte, wird das ZDF sein Programm ändern müssen – wegen der aktuellen Berichterstattung natürlich und, weil der US-Fernsehfilm „Angst über Amerika“ wohl als unangemessen empfunden würde. Schließlich geht es darin um einen islamistischen Angriff auf ein kalifornisches Kernkraftwerk. Zumindest will uns der neunzigminütige Thriller genau das sechzig Minuten lang Glauben machen, bis sich herausstellt, dass …
… nichts ist, wie es scheint. Genauer gesagt, handelt es sich nämlich bei den Terroristen gar nicht um Islamisten, sondern um ehemalige US-Soldaten, die im Irak durch Verschulden ihrer Regierung irgendwie radioaktiv verstrahlt und an Krebs erkrankt sind. Ihre Gegenspieler: eine mutige, überflüssige Polizistin mit hübscher Kurzhaarfrisur (Leslie Hope), ein moralisch total integerer Regierungsagent (Bruce Greenwood) sowie eine skrupel- und ratlose Regierung.
„Angst über Amerika“, auf dessen offensichtliche Anleihen an die RTL-Ausnahmeserie „24“ das ZDF vorab ausdrücklich hinwies, ist ein amerikanischer Film für den amerikanischen Markt: mäßig spannend und in seiner Botschaft und Schwarzweißrhetorik letztlich kaum weniger plump als eine Michael-Moore-„Doku“. Da fällen die Regierungsleute falsche Entscheidungen und sagen: „Nach dem 11. September haben wir Afghanistan mit zehn Prozent unserer Schlagkraft angegriffen, den Irak mit etwa zwanzig Prozent. Werden wir atomar angegriffen, muss die arabische Welt mit einem Gegenschlag rechnen – einem atomaren Gegenschlag …“
Und der vermeintliche Oberterrorist (O-Ton Regierungsagent: „Er will uns etwas klarmachen!“) hält über den Film verteilt eine Art Rechtfertigungsrede an die Nation: „Stellen Sie sich jemanden vor, der vor dem 11. September die Flugzeuge entführt hätte und an den Türmen vorbeigeflogen wäre. (…) Warum? Kernkraftwerke, chemischen Anlagen, Containerschiffe, die gesamte Wasserversorgung – all das ist verwundbar, während wir auf den Flughäfen den Omas Haarnadeln abnehmen. Es ändert sich nichts, solange niemand Angst kriegt. (…) Krebs, Erschießen, Kernschmelze – das spielt keine Rolle. Meine Männer und ich wurden verstrahlt durch Waffen, die man aus Uranabfällen herstellt. Und Washington lässt dieses Material einfach ungeschützt – ohne ein warnendes Wort an die Bevölkerung. Denen ist das ganz egal.“
Das ZDF immerhin gibt sich durchaus distanziert und nennt „Angst über Amerika“ einen „Film über die Befindlichkeit einer Nation nach dem 11. September 2001“. Und als solcher ist er dann womöglich sogar sehenswert. Nur das Ende ist irgendwie – hä? CHRISTOPH SCHULTHEIS