: Nichtrauchen am Strand
HYPNOTHERAPIE Hypnose will hartnäckigen Rauchern das Aufhören leichter machen. Mithilfe von Fantasiebildern entdeckt der Patient dabei sein neues Ich – den Nichtraucher. Ein Selbstversuch
VON MARLENE WEISS
Irgendeine muss die letzte sein. Aber diese? Die Zigarette glimmt vor sich hin. Am Telefon hat der Therapeut gesagt, von einer Sitzung dürfe man sich ohnehin nicht viel versprechen. Trotzdem – möglich ist alles. Ein letzter Zug vor der Tür, dann bin ich bereit. Mein Leben als Nichtraucherin dank Hypnotherapie kann beginnen.
„Raucher sind meistens unentschlossen“, sagt Björn Riegel, Psychologe, Hypnotherapeut und Leiter einer Studie an der Uni Hamburg zur Wirksamkeit von Hypnose in der Raucherentwöhnung. Irgendetwas im Raucher wolle immer weiterrauchen. „Sonst wäre das Aufhören ja sehr einfach“, sagt er. Hypnotherapie könne dabei helfen, sich dieser Zwiespältigkeit bewusst zu werden. Es geht nicht darum, das Rauchen zu verdammen, sondern das Nichtrauchen als erstrebenswerten Zustand zu verinnerlichen. In Trance soll der Patient das Unbewusste zum Aufhören nutzen.
Langsam werde ich nervös. Der Psychologe scheint meine Bedenken zu ahnen. „Kontrollfanatiker sind schwer zu hypnotisieren“, sagt er gelassen. „Ein bisschen Vertrauen muss man schon aufbringen.“ Zugegeben, Björn Riegel ist ein ziemlich Vertrauen erweckender Mensch: Ruhiges Auftreten, ordentlich gekleidet, schüchternes Lächeln. Das Risiko, dass er mich per Gehirnwäsche zur ferngesteuerten Terroristin programmiert, ist überschaubar.
Also gut. Entspannt hinsetzen, Augen schließen, dann kann es losgehen. Zuerst suchen Therapeut und Patient gemeinsam nach einem Bild, mit dem dann gearbeitet wird. Idealerweise eine Landschaft, die man nicht mit Rauchen assoziiert. Ich entscheide mich, nicht sehr originell, für einen Strand aus dem letzten Urlaub. Riegel flüstert Satzfetzen in mein Ohr. Dadurch soll die Erinnerung präsenter werden und die Gegenwart verblassen. Es funktioniert erstaunlich gut, nach einer Weile sehe ich die Landschaft plastisch vor mir. Mit etwas gutem Willen meine ich sogar, das Meer zu riechen.
Der nächste Schritt ist das positive Visualisieren des nichtrauchenden Daseins: Man betrachtet sich in einem Jahr in der gleichen Landschaft, als gesunder, vitaler Nichtraucher. In den folgenden Sitzungen wird Selbsthypnose geübt, damit der Patient sich bei Bedarf in seine Nichtraucherlandschaft zurückversetzen kann. In der vierten und letzten Sitzung muss sich der zukünftige Nichtraucher von der Zigarette verabschieden. Zum Beispiel, indem er ihr mental ein Zugticket kauft, für die schöne gemeinsame Zeit dankt und dem abfahrenden Zug nachwinkt.
Das Verfahren ist unter dem Namen „Smokex“ beim Patentamt registriert. Erste Studien beziffern die Erfolgsquote nach einem Jahr auf 40 Prozent. Kein schlechter Wert, ganz ohne Hilfe schaffen es nur zehn Prozent der Raucher. Im März 2006 verabschiedete der wissenschaftliche Beirat Psychotherapie ein Gutachten, das die Hypnotherapie bei psychosomatischen Krankheiten und Raucherentwöhnung anerkennt. Bezahlen muss die Therapie indes weiterhin der Patient, pro Sitzung rund 100 Euro.
Die meisten Raucher, meint Riegel, rauchen nur in wenigen Situationen wirklich zwanghaft, in allen anderen lediglich aus Gewohnheit. Es gilt also, die Gelegenheiten zu finden, bei denen eine Zigarette absolut unverzichtbar erscheint: Zum Kaffee? Bei der Arbeit? In der Kneipe? Mit seinen Patienten sucht Riegel in Trance und im Gespräch nach einem anderen Umgang mit solchen Situationen.
Zudem verfolgen Raucher meist mit dem Griff zur Zigarette einen bestimmten Zweck. Der eine schafft sich rauchend einen Freiraum von seiner Familie, der andere erraucht sich seine kleine Rebellion. Insgeheim hält sich wohl so mancher Raucher für den wahren Marlboro Man.
„Sie können sich frei entscheiden“, höre ich Riegels sanfte Stimme aus der Ferne, während ich versuche, mich als Nichtraucherin zu sehen, „ob Sie nicht lieber gegen die Zigarettenindustrie rebellieren wollen“. Da hat er mich erwischt. Allerdings, dass Rauchen eine völlig sinnlose Tätigkeit ist, das wusste ich schon vorher. Fragt sich, ob ich es auch nach dem dritten Bier noch schaffen werde, mich per Selbsthypnose in mein vitales Nichtraucher-Ich zu versetzen? Es wird sich zeigen.
Wer so verständnisvoll ins Raucherherz blickt wie Björn Riegel, muss eigentlich selbst einmal geraucht haben. Wie hat er aufgehört? „Ich habe meine Freundin kennengelernt“, sagt er schlicht. „Ich wollte nicht, dass sie mich rauchen sieht. Das hat funktioniert.“