: Makelhafte Marke aus dem Norden
VATTENFALL Schwedens Regierung kritisiert die stetig wiederkehrenden Verstöße gegen Sicherheitsbestimmungen in Kraftwerken und beklagt den Imageverlust des Konzerns
STOCKHOLM taz | Wegen der AKW-Skandale in Krümmel und Ringhals wird es für Vattenfall-Chef Lars G. Josefsson langsam eng. Für die in Deutschland erwiesene und in Schweden von der Atomaufsichtsbehörde jahrelang vergeblich bemängelte systematische Schlamperei mit der Sicherheit könnten nicht länger einige Betriebsleiter verantwortlich gemacht werden, lautet die Kritik. Die Gründe hierfür müssten an der Konzernspitze gesucht werden. Die ständig wiederkommenden Probleme deuteten auf Versäumnisse auf höchstem Niveau hin, schreibt beispielsweise die atomkraftfreundliche Tageszeitung Göteborgs-Posten. „Dem Vattenfall-Personal wurde vermittelt, dass die Wirtschaftlichkeit Priorität haben sollte, nicht unbedingt die Sicherheit“, kritisiert der finnische Atomsicherheitsexperte Magnus von Bonsdorff.
Verpufft ist angesichts der jüngsten Vorfälle die vermeintliche „Sicherheitsoffensive“, welche Josefsson im Januar mit der Einsetzung eines „Kernsicherheitsrats“ mit prominenten Atomkraftbefürwortern wie dem ehemaligen IAEO-Generalsekretär Hans Blix gestartet hatte. Dabei hatte Josefsson vollmundig versprochen, Vattenfall wolle „weltbest“ in Sachen Kernkraftsicherheit werden und hatte gleichzeitig einen internationalen Ausbau der Atomkraft unter Vattenfall-Regie angekündigt.
Die Realität ist jetzt, dass nicht einmal mehr der schwedische Staat als Eigentümer Vattenfall noch über den Weg traut. In der vergangenen Woche äußerte sich die schwedische Regierung erstmals zu den jüngsten Sicherheitsproblemen. „Als Eigentümer registrieren wir mit Sorge die wiederkehrenden Probleme mit der Sicherheitskultur in den Vattenfall-Anlagen“, erklärte Wirtschaftsstaatssekretär Ola Alterå. Und in einer Erklärung des für Vattenfall zuständigen Wirtschaftsministeriums wird mitgeteilt, dass man bei der Konzernleitung einen „speziellen Rapport“ darüber angefordert habe, wie Vattenfall die Sicherheit seiner Kernkraftwerke handhabe. Stockholm werde sich auch mit der deutschen Regierung in Verbindung setzen, um sich von dieser über „deren Sicht der Dinge bezüglich der deutschen Reaktoren“ informieren zu lassen.
„Wir gehen davon aus, dass bei Vattenfall die Wiederherstellung der Sicherheitskultur in seinen Kernkraftwerken höchste Priorität genießt“, erklärt Alterå. Man habe der Vattenfall-Leitung schließlich schon anlässlich der Jahreshauptversammlung im April deutlich gemacht, dass man von ihr erwarte, das Vertrauen in die Warenmarke Vattenfall wieder zu stärken. Doch stattdessen sei nun durch die Vorkommnisse der letzten Tage das Vertrauen in das Unternehmen beschädigt worden.
Erst vor einigen Wochen hatte die schwedische Regierung als Reaktion auf die internationale Kritik eine Änderung der Geschäftspolitik hin zu umweltfreundlicher Produktion angemahnt. Mahnungen und Appelle an Vattenfall – dank jährlicher Milliardengewinne ein Goldesel für die schwedische Staatskasse – reichten nicht, bemängeln KritikerInnen. Es bedürfe personeller Konsequenzen und klarer Direktiven. Vattenfall solle ganz aus der deutschen Atomkraft aussteigen, forderten am Wochenende die schwedischen Grünen. REINHARD WOLFF