Fliesenleger fürchten Fremde

Immer mehr Scheinselbstständige aus Osteuropa heuern auf Kölns Baustellen an. Meisterbetriebe aus Köln und dem Umland bangen um Aufträge und ihre Existenz

KÖLN taz ■ Früher waren Fliesenleger die „Kings auf der Baustelle“. So drückt es Dieter Fenger aus, Fliesenlegermeister aus Brühl. „Kommen um zehn Uhr, gehen um zwei Uhr – das war das Klischee.“ Diese Zeiten sind lange vorbei, heute sieht Fenger die Existenz seines Betriebs mit vier Mitarbeitern bedroht. Zu Weihnachten musste er eine Kollegin entlassen. Größte Sorge des Meisters ist die illegale Konkurrenz: Laut der Kölner Handwerkskammer arbeiten immer mehr Scheinselbstständige aus Osteuropa auf hiesigen Baustellen. Ihre Arbeitgeber können dank billiger Arbeitskräfte die Preisangebote des Meisters unterbieten.

Das alte Problem der Schwarzarbeit hat seit vergangenem Frühjahr eine neue Dimension bekommen. Zwei eigentlich getrennte Entwicklungen haben für die Baubranche in Deutschland verheerende Auswirkungen: Erstens ist in 53 von 94 Handwerksberufen der Meisterzwang gefallen. Wer will, darf sich selber zum Fliesenleger oder Gebäudereiniger ernennen. Zweitens dürfen nach der EU-Osterweiterung Polen, Tschechen und andere Osteuropäer in Deutschland leben und arbeiten. Zwar ist es ihnen vorerst verboten, reguläre Jobs anzunehmen, aber die Gründung von Unternehmen ist erlaubt. In der EU herrscht Niederlassungsfreiheit.

Beide Regelungen greifen gemeinsam seit März 2004. Nach Informationen der Handwerkskammer hat sich in Köln seitdem die Zahl der Fliesenlegerbetriebe von 400 auf rund 1.150 erhöht, meistens reine Ein-Mann-Unternehmen. „Dieser Anstieg ist nicht normal“, sagt Heiner Schaarschmidt, Justiziar bei der Handwerkskammer. Er vermutet, dass sich die Gründer nur als Unternehmer ausgeben, tatsächlich aber als Billigarbeitnehmer auf Baustellen arbeiten.

15,27 Euro Lohn bekommt ein Fliesenleger laut Kölner Baugewerbsinnung offiziell pro Arbeitsstunde, den Scheinselbstständigen aus Polen reichten dagegen fünf oder sechs Euro. Oft kümmern sie sich nicht nur ums Fliesen, sondern übernehmen auch andere Bauarbeiten. Ihre Arbeitgeber können so extrem günstige Angebote kalkulieren.

Die Handwerkskammer möchte dem illegalen Treiben jetzt nicht mehr länger tatenlos zusehen. Die Adressen der Unternehmensgründer sollen genau kontrolliert werden – wenn es sein muss per Visite. Auch mit Zoll und Ordnungsamt wird verhandelt. Bis sich die Lage bessert, lautet für Dieter Fenger die Devise „durchhalten“ und auf bessere Zeiten hoffen. Er sei froh, dass er überhaupt noch Arbeit hat.

BENJAMIN TRIEBE