: For sale: Kirche in City-Lage
Die Nordelbische Landeskirche ist Vorreiterin, wenn es um neue Nutzungen von Gotteshäusern geht. Die anderen norddeutschen Kirchen lehnen diese Praxis ab, zum Teil wegen schlechter Erfahrungen
von Eiken Bruhn
Ein Restaurant soll in die Hamburger Stephanuskirche einziehen, der Fernsehkoch Tim Mälzer will hier Erlesenes zubereiten – wenn ihm die Behörden grünes Licht für den Betrieb geben. Gottesdienste werden in der Eimsbütteler Kirche nicht mehr stattfinden, am Sonntag zog die Gemeinde in feierlicher Prozession – begleitet von Protesten – mit Sack und Pack, Kreuz, Bibel und Taufkanne um.
Nicht zum ersten Mal war eine Gemeinde innerhalb der klammen nordelbischen Landeskirche zum Äußersten bereit: Fünf Kirchen in Hamburg und Schleswig-Holstein waren einmal Predigtstätten der evangelischen Kirche und sind heute Wohnhäuser, Kindergärten oder werden von einer anderen christlichen Gemeinschaft genutzt. Rund ein Dutzend weitere sollen folgen, so Marie-Elisabeth Most-Werbeck, Sprecherin der Landeskirche. Genauer lasse es sich nicht sagen, weil bei vielen unklar sei, was mit ihnen geschehen soll. Verkauf ist eine Option, die andere ein langfristiger Mietvertrag. Wer „dem christlichen Glauben zuwiderlaufende Ziele“ verfolgt, sei kein Vertragspartner, so hat es die Landeskirche festgelegt.
In Norddeutschland ist Nordelbien die einzige Landeskirche, die offensiv die Umnutzung von Kirchen betreibt, auch wenn sie noch nicht wie die ostdeutschen Kirchen ein eigenes Internetportal betreibt, auf dem Gotteshäuser feilgeboten werden, zum Beispiel ein „neogotischer Sakralbau mit Teilgrundstück in Stadtrandlage“ bei Leipzig.
„So weit sind wir noch nicht“, sagt Eva-Maria Eilhardt-Braune, Baudirektorin der Landeskirche Hannover. Die Niedersachsen schließen derzeit eine kirchenfremde Nutzung aus. Um Unterhaltskosten zu sparen, wurden einige Kirchen zu multifunktionalen Räumen umgebaut, so dass die Gemeinde sie noch für etwas anderes als Gottesdienste nutzen kann, etwa als Café oder Gruppenraum.
Auch in Mecklenburg-Vorpommern werden in naher Zukunft keine Sakralbauten verhökert. „Das machen wir schon seit zehn Jahren nicht mehr“, sagt Andreas Flade, mecklenburgischer Oberkirchenrat. Schlechte Erfahrungen sind der Grund: In einem Fall habe man zugelassen, dass eine Kirche ab- und in einem Museumsdorf wieder aufgebaut wurde. „Die fehlt jetzt im alten Dorf“, so Flade.
Dabei stehen im Nordosten besonders viele Kirchen herum. 450 Gebäude bei gerade einmal 100.000 Mitgliedern, rechnet Torsten Amling für die pommersche Kirche vor, in Bayern kämen drei Millionen Mitglieder auf 2.000 Kirchen. Dennoch wolle man die Kirche im Dorf lassen, auch wenn sie nur für zwei Gottesdienste im Jahr genutzt werde. Und selbst wenn die Kirche verkaufswillig wäre: „Es gibt keine Nachfrage“, sagt Amling, und die Renovierung sei sehr aufwändig. „Kaufen Sie lieber eine Mühle oder eine Fabrik, die kriegen Sie hier auch sehr günstig.“