: Frau holt langsam auf
Der neue Sozialstatistik zeigt: In einigen Branchen hat Sie inzwischen häufiger das Sagen als Er. Doch das Kind-oder-Karriere-Dilemma ist nach wie vor ungelöst
BERLIN taz ■ Die Frau 2004 – sie ist ein Siegertyp. Beständig streift sie sie ab, die Fesseln der patriarchalen Tradition, rast in der Überholspur am Mann vorbei.
Zum Beispiel hinein in die Chefetagen. Ist sie unter 45 und keine Mutter, schafft sie es häufiger in Führungsjobs als ein kinderloser Mann. Besser als er steht sie auch in der Dienstleistungsbranche da. Stärker als er nutzt sie die Vorzüge moderner Technik, arbeitet häufiger am PC. Und nebenher tut sie noch was für Umwelt und Figur: Weit öfter als der Mann radelt sie ins Büro – während er sich lieber im Auto den Hintern breitsitzt.
Dies sind nur einige der weibliche Erfolgsdaten aus dem gestern veröffentlichen Mikrozensus 2004 – der bundesdeutschen Repräsentativstatistik, wie Frauen und Männer leben, lieben und arbeiten. Sie zeigt auch: Den Erfolg im Job flankiert das Glück daheim. Seltener als ein Mann lebt eine Frau allein, zumindest bis zum Rentenalter. Dabei wagt Frau schon früh den Schritt in die Selbständigkeit. Jeder siebte Mann aber hockt noch mit dreißig am Küchentisch der Eltern. Überdies gelingt Frauen eine bessere Balance aus Job und Privatem. Während er immer mehr Stunden im Büro klebt, hat sich ihre Wochenarbeitszeit seit 1991 um drei Stunden reduziert.
Die Statistiker wissen aber auch: Die Frau 2004 – sie ist trotzdem noch immer die Verliererin. Nach wie vor kämpft sie gegen eine Realität, die sie massiv benachteiligt. Denn auch in der Lebenswelt 2004 kann nur der Mann selbstverständlich beides haben: ein Kind und eine Topkarriere. Für die Frau aber ist das oft eine Entweder-Oder-Qual. Nur die Singlefrau ohne Nachwuchs schafft es regelmäßig in die Chefetagen. Wird ein Kind geboren, endet ihr Karrierevorsprung. So darf sich jeder vierte Vater über einen Führungsposten freuen – aber nur jede zehnte Mutter. Und scheitert eine Liebe, bleibt sie auf den Kinderpflichten sitzen: Sechs von sieben Alleinerziehenden sind Frauen.
Will die Frau sich rüsten, indem sie sich frühzeitig umfassend bildet, hilft ihr das kaum. Denn selbst der Unibesuch rentiert sich stärker für den Mann. 63 Prozent der Männer werden für ihren akademischen Abschluss mit einem Führungsposten belohnt, aber nur 43 Prozent der Frauen. Noch stärker klafft der Graben bei dem, was die Statistiker „umfassende Führungsaufgaben“ nennen. In diese hoch entlohnten Topjobs schaffen es nur drei von hundert Akademikerinnen – aber 12 Prozent der hochschulgebildeten Männer.
Eine Ursache für das weibliche Karrieretief haben die Statistiker ausgemacht: den Frauentrend Teilzeitjob. Arbeiteten 1991 zwei von drei Erwerbstätigen Vollzeit, ist es jetzt nur noch etwas mehr als jede Zweite. Ein Wandel mit prekären Folgen, so Statistiker: Jede fünfte Vollzeit-Arbeiterin, aber nicht einmal jede zehnte Teilzeitkraft schafft es in einen Spitzenjob. Und so steigt die Frau häufig nicht aus Freude an der Frischluft aufs Rad – sondern weil ihr Halbtagspöstchen zu wenig Geld für ein Auto abwirft. COSIMA SCHMITT