Ökomarkt soll verspeist werden

WEDDING Der Biomarkt auf dem Leopoldplatz soll mit einem anderen Markt fusionieren, so will es die Nazareth-Gemeinde. Die Händler sind sauer. Jetzt geht der Fall vor Gericht

„Es ist wichtig, als Ökohändler weiter erkannt zu werden“

FRIEDHELM PLASS, SCHAFSKÄSEHÄNDLER

VON ANNE SIEGMUND

Der Ökomarkt auf dem Leopoldplatz ist eine kleine Idylle im Wedding. Doch derzeit sind viele Händler verärgert. Denn ihr Markt auf dem Platz an der Nazarethkirche soll mit dem parallel stattfindenden Wochenmarkt fusionieren – aus zwei kleinen soll ein großer Markt werden. Das bedeute für sie das Ende, befürchten die Bioanbieter. „Jetzt funktioniert der Markt, aber mit mehr Konkurrenz reicht es nicht für alle“, sagt der Marktleiter Christoph Ebeling.

Auf Initiative der Kirche Wedding wurde der Ökomarkt 1991 gegründet – und ist ein Vorbild für andere, wie etwa den Markt auf dem Kollwitzplatz. Der ist inzwischen zwar viel größer als das Original, aber vor allem wenn es um den Charme geht, kann der Kleine mit dem Großen mithalten. Denn viele Händler und Kunden sind über die Jahre zu Freunden geworden.

Doch der Eindruck einer fast ländlichen Idylle trügt. Der Eigentümer des Leopoldplatzes ist die Nazareth-Gemeinde, Jens-Uwe Krüger ist hier Pfarrer. Er wirft den Biobauern vor, an Markttagen regelrechte „Wagenburgen“ zu errichten und sich von den Wochenhändlern abzugrenzen.

Tatsächlich bauen die Bio- und die „normalen“ Wochenhändler jeden Dienstag und Freitag ihre Stände Rücken an Rücken auf – im Gesamtbild wenig einladend. Laut Krüger habe man daher in Absprache mit dem Bezirksamt Wedding geplant, „den Marktplatz neu zu sortieren“ und einen Mischmarkt zu gründen. Man wolle aber „die Händler für das neue Modell gewinnen und niemanden verdrängen“.

Mindestens zwei Verdrängte gibt es allerdings schon. Dem Trödelmarkt, der sechs Jahre ebenfalls auf dem Leopoldplatz abgehalten wurde, ist schon im vorigen Herbst gekündigt worden, ebenso der Vertrag mit dem langjährigen Ökomarkt-Betreiber Christoph Ebeling – eigentlich zum Jahresende 2008. Nur wegen eines Formfehlers existiert der Markt überhaupt noch, am gestrigen Montag wurde der Fall erstmals vor Gericht verhandelt. „Ich habe den Eindruck, die wollen mich hier wegmobben“, so Ebeling. Pfarrer Jens-Uwe Krüger bezeichnet die Lage als „eskaliert“.

Mittlerweile regt sich sogar aus der Kirchengemeinde Kritik. Als langjähriges Mitglied und erste Ökomarktleiterin kennt Renate Fiebig beide Parteien gut: „Die Gemeinde ist nicht gut mit den Händlern umgegangen.“ Auch an den Versprechungen des Pfarrers zweifelt sie. „Das sind Worte, aber die Taten fehlen“, sagt die Rentnerin. Sie kann nicht nachvollziehen, dass erst dem Marktleiter gekündigt und dann mit den Ökohändlern gesprochen wurde. Die Gemeinde habe damit dem ausgewiesenen Naturkostspezialisten die Existenz entzogen. Nach Fiebigs Ansicht ist aber der Ökomarkt allein auch „nicht überlebensfähig“, weil „viele Besucher längst auf beiden Seiten einkaufen“. So bleibe nur die gemeinsame Sache.

Aber wie soll der neue Mischmarkt aussehen? Friedhelm Plaß, Schafskäsehändler aus der Lausitz, ist sich zwar sicher, dass seine Stammkunden auch auf dem neuen Mischmarkt bei ihm einkaufen werden. Bedenken hat er aber wegen der Neukunden: „Es ist wichtig, als Ökohändler weiter erkannt zu werden.“ Konkrete Zugeständnisse der Gemeinde für eine besondere Kennzeichnung der Biohändler gibt es bislang nicht.

Jan Winkelmann geht zweimal pro Woche auf den Biomarkt, an diesem Tag mit seiner zweijährigen Tochter: „Der Markt ist ein wichtiger Anker für die soziale Ausgewogenheit. Und der Grund, dass ich hier nicht wegziehe.“