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Archiv-Artikel

Angst und Stress im Job

Trotz Massenarbeitslosigkeit wächst die Belastung: Beschäftigte klagen über immer mehr Arbeit und hohen Zeitdruck. Krankenstand auf Rekordtief

AUS DÜSSELDORFANDREAS WYPUTTA

In Nordrhein-Westfalens Betrieben wächst der Druck auf die Beschäftigten. Immer mehr Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer klagen über hohen Zeitdruck und steigende Arbeitsmengen, fühlen sich erschöpft, wütend und ausgebrannt. Das ist das Ergebnis einer repräsentativen Emnid-Umfrage, die vom NRW-Ministerium für Wirtschaft und Arbeit nach 1995 und 1999 bereits zum dritten Mal in Auftrag gegeben wurde.

Aktuell klagen über 50 Prozent der Beschäftigten über zu hohe psychische Belastungen, 52 Prozent der Befragten haben Angst vor dem Verlust ihres Arbeitsplatzes. Bedingt durch den Verlust von Jobs in der Industrie treten dagegen körperliche Belastungen immer stärker in den Hintergrund, doch klagen noch immer 44 Prozent etwa über Lärm am Arbeitsplatz.

Nordrhein-Westfalens Minister für Wirtschaft und Arbeit, Harald Schartau, mühte sich bei der Vorstellung der Zahlen dennoch um eine positive Präsentation. Ältere Mitarbeiter reagierten keinesfalls anfälliger auf die steigende Arbeitsbelastung: „Ältere Beschäftigte fühlen sich den psychischen Belastungen eher besser gewachsen als jüngere“, warb Schartau, der auch Landesvorsitzender der SPD ist. So hatten 47 Prozent der Unter-30jährigen, aber nur 37 Prozent der Über-50jährigen angegeben, sie fühlten sich ausgebrannt. Ältere litten aber verstärkt unter Schwerhörigkeit, Sehstörungen und Herz-Kreislaufbeschwerden.

Entscheidend werde zukünftig sein, „Arbeit so zu gestalten, dass die Beschäftigten erstens möglichst erfolgreich und zweitens möglichst lange die Anforderungen bewältigen könnten“, so der Minister – Schartau sorgt die sich umkehrende Alterspyramide wie die immer größer werdenden Defizite der Sozialversicherungen. Druck auf die Unternehmen will der Sozialdemokrat aber nicht machen, setzt stattdessen auf Appelle an die Wirtschaft. Die „Gemeinschaftsinitiative Gesünder Arbeiten“ soll den Betrieben ein besseres „Gesundheitsmanagement“ schmackhaft machen, außerdem sollen Vorurteile gegenüber Älteren abgebaut werden.

Auf die Frage, warum Unternehmen in Zeiten der Massenarbeitslosigkeit den Druck auf die leicht ersetzbaren Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer reduzieren sollten, ging der Minister für Wirtschaft und Arbeit dagegen nicht ein. Zwar fielen „die Krankenstände auch in NRW seit Jahren“. Er selbst rede aber lieber von „Gesundheits- statt von Krankenständen“, so Schartau. „Die Arbeitsbedingungen müssen so gestaltet werden, dass Arbeit nicht krank macht“, fordert der SPD-Chef.

Derzeit seien die Krankenstände aber „extrem niedrig“, so ein Mitarbeiter Schartaus, lägen „unter vier Prozent“ – vor zehn Jahren galt noch eine Quote zwischen sechs und sieben Prozent als akzeptabel. Betriebswirte klagten mittlerweile verstärkt über das Phänomen des „Präsentismus“: Immer öfter erschienen Arbeiter und Angestellte krank auf der Arbeitsstelle – und bescheren ihren Unternehmen hohe Kosten durch nur unzureichend ausgeführte Aufträge.

Der Wirtschaftsminister, erster Befürworter des Slogans „Fördern und Fordern“ und damit des erhöhten Drucks auf Arbeitssuchende, setzt außerdem auf eine leichte Abschottung des Arbeitsmarkts gegen Billig-Konkurrenz vor allem aus den neuen EU-Mitgliedsstaaten. „Ermutigend“ sei die Überarbeitung der EU-Dienstleistungsrichtlinie, findet der im Wahlkampf aufgeschreckte Sozialdemokrat: „Es hat sich gelohnt zu sagen, dass es so nicht geht.“