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Noch eine Tote

Kranke Frau verhungert. SPD verlangt Aufklärung von Sozialsenatorin. Die aber hält sich nicht für zuständig

Dass in Hamburg Menschen verhungern, kommt offenbar häufiger vor. Gestern wurde der Fall einer 40-jährigen Frau bekannt, die in einem Hochhaus in Farmsen unbemerkt von den Nachbarn an Nahrungsmangel starb. Die Mutter zweier Kinder war vor elf Jahren an Schizophrenie erkrankt und lebte deshalb getrennt von ihrer Familie. Die ihr vom Gericht zugewiesene Betreuerin hatte sie zuletzt im August 2004 lebend gesehen, gab aber offenbar erst Ende November eine Vermisstenanzeige auf. Die Polizei öffnete daraufhin am 1. Dezember die Wohnungstür und fand die Leiche. Öffentlich wurde der Fall aber erst jetzt.

Oppositionschef Michael Neumann (SPD) wirft Sozialsenatorin Birgit Schnieber-Jastram (CDU) nun vor, sie habe ihre Behörde „nicht im Griff“. Entweder sei die Senatorin über den Vorfall und das offensichtliche Versagen des Hilfesystems nicht informiert gewesen, oder sie habe den Fall verschwiegen. Neumann: „Beides wäre nicht akzeptabel.“ Schnieber-Jastrams Sprecher Rico Schmidt erklärte hingegen, die Sozialbehörde habe mit dem Fall „nichts zu tun“, denn die Einsetzung der Berufsbetreuer sei Sache des Amtsgerichts Barmbek.

Der SPD-Sozialexperte Dirk Kienscherf warnte daraufhin vor einer neuen „Zuständigkeitsdebatte“, wie sie gerade erst nach dem Tod von Jessica (7) entstanden war. Es sei zuallererst die politische und moralische Aufgabe Schnieber-Jastrams, sich um die schwächeren und kranken Menschen zu kümmern. Der Satz, „wer Hilfe braucht, wird sie bekommen“, stamme schließlich von ihr. Kienscherf will nun mit einer kleinen Anfrage klären, welche Umstände zum Tod der Frau führten. Kaija Kutter

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