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Archiv-Artikel

Geistige Nahrung

Lyrik an Biobrot: Bedruckte Brötchentüten sollen Literatur in den nüchternen Alltag bringen. Und nebenbei zwei Existenzgründer ernähren

„Damit sind wir eines der größten literarischen Publikationsorgane Deutschlands“

Die Idee entstand, wie viele gute Ideen, nebenbei. Bei einem Gespräch zwischen dem Bielefelder Autor Jens Gantzel und einem Freund über die Kommunikation zwischen Paaren, bei dem der Freund enthüllte, dass er für seine Freundin Nachrichten auf der Bäckertüte hinterlasse. Die Bäckertüte als Medium, das leuchtete beiden ein und so entstand die Idee „Lesefutter“ zu schaffen: Gedichte und Kurzgeschichten auf Brötchentüten gedruckt.

Mittlerweile ist der Freund aus dem Projekt ausgestiegen und der Bremer Theatermacher Frank Riepe an seine Stelle getreten. Und aus der Küchentisch-Idee ein Marketingkonzept entstanden, das Kultur mit neuen Mitteln finanzieren soll. Auf Biobrot-Tüten stehen vorne Gedichte und Kurzgeschichten, auf der Rückseite Werbeanzeigen von Kunden, die aus dem ökologischen Bereich kommen. „Die Wirtschafts-Begriffe sind noch ungewohnt“, sagt Riepe, der von Hause aus Theatermacher und Performance-Künstler ist. Aber das Konzept scheint zu funktionieren.

Mittlerweile haben die beiden Organisatoren 500 Bioläden für ihre Idee gewonnen, in Bremen hat sich bislang allerdings kein Geschäft für die Literatur-Tüten erwärmen können. Die Auflage pro Text beginnt bei 50.000 Tüten und für den Herbst sollen einige sogar 500.000 mal gedruckt werden. „Damit sind wir eines der größten literarischen Publikationsorgane Deutschlands“, sagt Frank Riepe stolz und nur halb im Scherz. Von den Gewinnen wollen die beiden Existenzgründer ihren Lebensunterhalt bestreiten und zugleich ein Honorar von 2,4 Cent pro Tüte an die Autoren zahlen können.

Dass sich dabei nicht jeder Text für diese Form eignet, ist Frank Riepe bewusst: „Der Text muss die Veröffentlichung auf einer Brötchentüte aushalten. Das verlangt gerade bei Lyrik viel Fingerspitzengefühl“. Also keine Gedichte im Ton Ingeborg Bachmanns oder Paul Celans. Für Riepe soll „Lesefutter“ ein Forum für junge Autoren sein, die die ersten Schritte schriftstellerischer Selbsterfahrung bereits hinter sich haben, aber noch auf neue Publikationsorte und Honorare angewiesen sind. Jess Jochimsen und Osman Engin sind derzeit die prominentesten unter den bislang zwölf Autoren.

„Literatur und Alltag in neuer Weise zuammenbringen“, möchte Frank Riepe. Doch manchmal will die Kultur nicht recht in den zugedachten Rahmen passen. Wie kürzlich, als sich ein Künstler für das Projekt „Picknick“ vorstellte, bei dem Riepe und Gantzel Literatur-Veranstaltungen für Geschäftsleute anbieten. „Eher aus der Noise- und Industrialecke“, so stellte er sich für das geplante Winzerjubiläum vor und schied damit umgehend aus dem Bewerberkreis aus.

Friederike Gräff