: Platz da! Das Mittelmeer zieht an die Elbe
Im Juni ist Eröffnung: Die Treppe der Architekten Miralles und Tagliabue bringt Leben an den Sandtorhafen
Ob Udo Lindenberg am Sandtorhafen saß, als er singend behauptete: „Ich sitz den ganzen Tag bei den Docks (...), und ich guck mir Flut und Ebbe an“, ist nicht bekannt. Ab Juni hätte er jedenfalls Gelegenheit dazu. Dann soll dort der erste öffentliche Platz der Hafencity eingeweiht werden, mit Blick auf‘s Wasser.
Den Wettbewerb für die Freiraumgestaltung der westlichen Hafencity haben 2002 EMBT aus Barcelona gewonnen. Die Architektengemeinschaft um Enric Miralles und Benedetta Tagliabue bringt mit ihren Entwürfen endlich ein bisschen Bewegung ins Spiel.
Bisher zeichnet sich die Bebauung am Sandtorkai eher durch wuchtige Grobklotzigkeit und den Siegeszug des rechten Winkels aus. Die Spanier dagegen arbeiten mit dynamischer Linienführung, organischen Formen und ornamentalen Details.
Die Kaimauer ist schon fast fertig. Wie eine riesige, gezackte Eisscholle scheint sie am Sandtorhafenkopf auf dem Wasser zu liegen. Um mehr Fläche für die Anlage zu gewinnen, wurde ein Teil des Hafenbeckens zugeschüttet. Jetzt wachsen auf 4.700 Quadratmetern breite Treppenrampen aus hellem Beton kreuz und quer zur Straße empor, unterbrochen von Terrassen, auf denen im kommenden Sommer die umliegenden Cafés ihre Stuhl-, Tisch- und Schirm-Ensembles aufstellen werden.
An einer Mauer prangt ein riesiges Forellenmosaik aus rotem, braunem und gelbem Klinker. Aber auch auf dem Boden bewegt sich etwas. Kurvig geformte Betonplatten schmiegen sich aneinander wie Teile eines Puzzlespiels. Überall gibt es etwas zu entdecken. Nichts Spektakuläres, sondern sympathische Kleinigkeiten. Auf diese Weise erfüllt der Platz genau die Funktion, für die öffentliche Räume da sind: Er lädt ein zum Verweilen und Flanieren.
Im nächsten Jahr sollen dann auch Pontons im Hafenbecken schwimmen: begehbare Stege in Blattform, die sich mit Ebbe und Flut heben und senken.
Der neue Platz am Sandtorhafen ist keine topmoderne Anlage, die die Eleganz von Übermorgen verkörpert. Und seine lockeren, fächerartigen Konturen schaffen auch mehr einen unversöhnlichen Gegensatz zur Architektur der übrigen Gebäude, als ein interessantes Spannungsverhältnis aufzubauen. Ist aber erst die bedrückend massive Bebauung der Kais, die auf den Platz zulaufen, abgeschlossen, wird der Platz mit seinem spielerischen Übergang vom Wasser zum Land vollends zur Geltung kommen - als Atem spendender Freiraum.
OLGA-LOUISE DOMMEL