unterm strich
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60 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs hat die Max-Planck-Gesellschaft (MPG) die dunkle Geschichte ihrer berühmten Vorgängergesellschaft nun weitgehend veröffentlicht und auf einer Konferenz zum Abschluss der Forschungen in Berlin vorgestellt. Nach den Dokumenten entwickelten Forscher der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft zwischen 1933 und 1945 Kampfgase, duldeten Menschenversuche oder griffen auf Zwangsarbeiter zurück. „Es gab eine sehr große Bandbreite von unterschiedlichen Einbindungen der Wissenschaftler in das NS-System“, erläuterte Susanne Heim, Projektleiterin eines elfköpfigen Forschungsteams dpa. „Typisch war ein Arrangieren der Wissenschaftler mit dem NS-Regime, sei es zähneknirschend oder jubilierend“, berichtete sie. Dabei hätten Spitzenwissenschaftler „ … Enteignung, Plünderung, Menschenversuche oder Morde in ihren Bereichen mit vorangetrieben“.

Dass die Frage nach Verantwortung erst jetzt endgültig geklärt wird, sieht Heim durchaus kritisch. Lange habe es wohl eine Art Beißhemmung gegen geschätzte Kollegen in den eigenen Reihen gegeben. Trotz zweifelhafter Vergangenheit hätten sie bis in die 80er-Jahre hinein als graue Eminenzen gewirkt und in der Max-Planck-Gesellschaft eine offene Auseinandersetzung über die Historie verhindert.

Die Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft hatte einst Genies wie Albert Einstein in ihre Mitte geholt und brachte zahlreiche Nobelpreisträger hervor. Unbefleckt war die Wissenschaft jedoch auch vor 1933 nicht gewesen. Der Chemiker und spätere Nobelpreisträger Fritz Haber entwickelte beispielsweise das Giftgas, das 1915 an der Front bei Ypern tausende von Franzosen zu Tode gequält hatte. Beim Machtantritt der Nationalsozialisten regte sich in der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft auch vergleichsweise wenig Widerstand. Viele Spitzenforscher, so die heutige Analyse, beteiligten sich an der Vertreibung jüdischer Kollegen. Die Aufwertung der Rassenforschung durch das NS-Regime habe manche Wissenschaftler geradezu beflügelt, erläuterte Susanne Heim. Ohne Druck und Zwang arbeiteten die Forscher mit ihren Versuchen den Machthabern in die Hände. „Einige Forscher hatten keine Skrupel, für Versuche auf Menschen in Konzentrationslagern zurückzugreifen, andere schon“, erläuterte Heim. Die heutige Max-Planck-Gesellschaft hat sich bereits 1991 zur historischen Verantwortung und zur Schuld der damaligen Wissenschaftler bekannt. Die wenigen Überlebenden der menschenverachtenden Versuche an Zwillingen in Auschwitz bat die MPG damals beispielsweise ausdrücklich um Verzeihung.