: Was soll das alles, Frau Röhl?
betr.: „Diskriminierung – nein danke!“ von Bettina Röhl, taz vom 21. 3. 05
Die Überschrift „Die rot-grüne Regierung will Diskriminierung per Gesetz verbieten“ ist rechtlich nicht haltbar und einfach falsch. Denn beispielsweise liegt dem arbeitsrechtlichen Antidiskriminierungsgesetz – AADG – die „Richtlinie 2000/78/EG des Rates zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf“ zugrunde. Aufgrund des EG-Vertrages haben die Mitgliedsstaaten die Richtlinien in nationale Rechtsvorschriften fristgemäß umzusetzen. Im Falle der Bundesrepublik hat die Europäische Kommission Klage vor dem Eugh erhoben wegen Nichtumsetzung bzw. Vertragsverletzung (fast alle anderen Mitgliedsstaaten haben diese Richtlinie bereits vor Jahren umgesetzt; nur die Bundesrepublik nicht). Hohe Konventionalstrafen drohen der Bundesregierung (Steuerzahler) bei weiterer Verschleppung gemeinschaftsrechtlicher Pflichten aus dem EG Vertrag. Es ist also völlig egal, welche Partei die Regierung in der BRD stellt. Auch eine christdemokratische Bundesregierung hätte „Gemeinschaftstreue“ im Sinne des Artikels 10 i. V. m. Artikel 249 (3) des EG Vertrages bei der Umsetzung von EU Richtlinien zeigen müssen.
Dass Mobbern durch ein AADG Tür und Tor geöffnet wird, liegt nicht an einem zukünftigen AADG, sondern an der Tatsache , dass es immer noch kein wirksames und strafbewährtes Antimobbinggesetz gibt. Jedenfalls fallen gemäß Artikel 10 der vg. Richtlinie Mobbinghandlungen – s. Leymann/Wolmerath/Esser – unter den Geltungsbereich der Richtlinie bzw. eines bald kommenden AADG.
JÖRG HENSEL, Gettorf
Gut, dass Frau Röhl uns nun endlich erklärt, wie arm und diskriminiert Männer in Deutschland sind, weil sie Krieg spielen lernen „müssen“. Wer die enge Verbindung zwischen der Konstruktion traditioneller Männlichkeit und dem Militär unter den Tisch fallen lässt, muss sich den Vorwurf mangelnder Auseinandersetzung mit patriarchalen Machtstrukturen gefallen lassen. Wer profitiert denn schließlich von diesen Strukturen? Ich muss keine Befürworterin von Zwangsdiensten sein, um zu wissen, dass auch Männer Diskriminierungen ausgesetzt sind. Aber von welchen Männern reden wir denn dann? Vom weißen, heterosexuellen Mittelschichtsmann und Feierabendpapi ganz bestimmt nicht. Oder leidet der auch unter Diskriminierungen, weil ihm eine Zwangssozialisation im Sinne traditioneller Männlichkeit zuteil wurde und er da ja nicht rauskann, weil der Arme gemobbt wird, wenn er sich zu „alternativer“ Männlichkeit bekennt? Mir kommen fast die Tränen. ANIKA SUSEK, Münster
Was soll das alles? Das kann man auch Bettina Röhl fragen. Will sie nun gar kein ADG, weil 1. Frauen gar nicht so besonders diskriminiert werden, 2. es sowieso nichts bringt, 3. noch mehr Diskriminierung schafft, 4. andere Bestimmungen dem Geist des ADG zuwiderlaufen, 5. es irgendwie doch nicht weit genug geht, 6. erst die Wehrpflicht abgeschafft werden muss, bevor Soldatinnen vor sexueller Belästigung geschützt werden können?
In Europa reibt man sich angesichts der deutschen Debatte um das ADG verwundert die Augen. Solche Einwände gegen einen gesetzlichen Schutz vor Diskriminierung kann in Großbritannien, Frankreich, Belgien oder den Niederlanden keiner nachvollziehen. Frau Röhl hat Recht, wenn sie auf widersprüchliche politische Entwicklungen hinweist (Niedersachsen kürzt Blindengeld, die Bundesregierung legt ADG-Entwurf vor). Dass eine CDU-geführte Landesregierung eine andere Politik betreibt als eine rot-grüne Bundesregierung, dürfte eine Journalistin aber nicht erstaunen. Soll das etwa ein Grund sein, auf den effektiven Schutz von Behinderten vor Diskriminierung zu verzichten?
Vor allem sollte Frau Röhl zunächst erst mal den Gesetzentwurf genau lesen, dann weiß sie auch, was tatsächlich drinsteht. Eine bloße Behauptung einer Diskriminierung reicht natürlich nicht aus, um vor Gericht zu ziehen; Schadenersatzansprüche können nicht einfach an Schutzvereine abgetreten werden. Und Artikel 3 des Grundgesetzes reicht eben nicht, um wirksam vor Diskriminierung durch andere Bürger und Unternehmen zu schützen. Die Realität sieht anders aus, als Frau Röhl sie sich vorstellt. Leider werden viele Bürger unseres Landes aus verschiedenen Gründen diskriminiert: z. B. Behinderte, Schwule und Menschen mit „ausländischen Namen“ beim Abschluss von Versicherungen, bei der Suche nach einer Wohnung etc. Ziel der Betroffenen ist es aber nicht, möglichst oft vor Gericht zu ziehen, sondern dass es präventiv zu entsprechenden Vereinbarungen und freiwilligen Regelungen zur Verhinderung von Diskriminierung kommt. BIRGIT WEHRHÖFER, Gelsenkirchen
Besten Dank für den hervorragenden Artikel. So viel Wahrhaftigkeit war nie. Dabei sind die zwangsläufigen Folgen des Antidiskriminierungsgesetzes mit Händen zu greifen. Was durch das geplante Gesetz einmal mehr deutlich wird, ist: Wir befinden uns seit einiger Zeit auf dem Weg zurück zu obrigkeitsstaatlichen Strukturen, wie sie – vom Dritten Reich einmal abgesehen – zuletzt im Kaiserreich geherrscht haben, nur unter politisch veränderten Vorzeichen. Das liberale Gewissen, das dagegen Sturm laufen müsste, hat offenbar die Landesgrenzen bereits überschritten.
BERNDT GOOSSENS, Aachen
Diskriminierung kann nur Frauen betreffen – auch wenn das Gegenteil beinahe ins Auge springt. Will man Rache für angeblich 20.000 Jahre Unterdrückung? Frauen- und Mädchenförderung, angefangen von der wesentlich besseren Gesundheitsförderung von Frauen bis zum Girls-Day; Jungen, die in der Schule ge- und behindert werden, was man für Mädchenförderung hält: Dies wären lohnende Ziele für eine Regierung. Stattdessen will man möglichst viele Leute vor Gericht sehen: Denunziation untereinander, dem Chef oder Vermieter gegenüber, wo könnte ich benachteiligt sein, wo könnte ich Schadensersatz fordern? Beim Vaterschaftstest die Parteien gegeneinander aufhetzen, die bestmöglichste Zerstörung der Familie vor Gericht, weil der Mann unverschämterweise Zweifel hat; dann soll er auch sehen, was er davon hat. Die allein verantwortliche Ministerin Zypries lächelt unschuldig.
WOLFGANG WENGER, Baiern
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