: Südosteuropa setzt auf Brüssel
Trotz des Konflikts der EU mit Kroatien hoffen Staaten der Region auf Integration. Diese Perspektive dürfte die Bereitschaft erhöhen, mit Den Haag zu kooperieren
SPLIT taz ■ Als die EU vor wenigen Tagen Kroatien erst einmal die Tür für die Integration in die Gemeinschaft zugeschlagen hat, zeigten die Öffentlichkeiten der umliegenden Staaten Bosnien und Herzegowina sowie Serbien und Montenegro zwiespältige Reaktionen. Denn 2004 hatten die Kroaten angesichts des sicher gewähnten Aufnahmeprozesses durch Arroganz geglänzt.
Plötzlich sollten die Bürger Bosnien und Herzegowinas 100 Euro pro Tag nachweisen, wenn sie einreisen wollten. EU-Touristen waren willkommen, die Bosnier nicht. Und das machte damals viel böses Blut, zeigte dieser Akt doch, dass mit dem Eintritt Kroatiens in die EU sich die Grenzen wieder schließen könnten. Die Kroaten setzten angesichts der Proteste ihr Vorhaben zwar nicht um, doch nach der Entscheidung der EU war Schadenfreude in Bosnien und auch in Serbien angesagt.
Doch nicht für lange. Denn wenn schon Kroatien von der EU abgelehnt wird, was wird dann mit uns passieren, ist die bange Frage. Aus Brüssel jedoch kommen beruhigende Töne. Kroatien gegenüber sei die Tür nicht zugeschlagen, hieß es. Mit Serbien und Montenegro wolle man in den nächsten Tagen sprechen, mit Bosnien sollen im Herbst Gespräche stattfinden, erklärte der EU-Erweiterungsbeauftragte Olli Rehn unlängst.
Und diese Nachricht lässt auch die weiteren Kandidaten hoffen: Mazedonien, Kosovo, Montenegro und Albanien. Für EU wie Nato ist Südosteuropa eine ordnungspolitisch und strategisch wichtige Region. Frieden auf dem Balkan zu schaffen war das Ziel der Interventionen der Nato, der EU und der USA in den 90er-Jahren. Mit der Perspektive der Integration in die Nato und die EU sollte die gesamte Region stabilisiert werden. Die Integration Südosteuropas steht weiter auf der EU-Tagesordnung.
Mit der Aussicht auf die EU-Integration sollten die demokratischen Kräfte gestärkt und gesellschaftliche wie auch wirtschaftliche Reformen forciert werden. Wer die Kriterien erfüllen will, muss zudem mit dem Haager UN-Kriegsverbrechertribunal zusammenarbeiten.
Der Schuss vor den Bug Kroatiens wird seine Wirkung nicht verfehlen. Zwar haben sich in den letzten Monaten sechs hohe Offiziere aus Serbien dem Tribunal gestellt, doch noch zögert die Regierung Kostunica, offiziell mit dem Tribunal zusammenzuarbeiten und nach den großen Fischen, Karadžić und Mladić, zu fahnden. Doch nicht nur Außenminister Vuk Drašković fordert, die Bedingungen der Europäischen Union zu akzeptieren. Auch die serbische Teilrepublik in Bosnien und Herzegowina blockiert wegen der Kriegsverbrecherfrage die EU-Annäherung des Gesamtstaates. Die harte Position der EU könnte die Dinge jedoch selbst hier in Bewegung bringen.
Der Druck auf die Staaten des ehemaligen Jugoslawien, alle Bedingungen der EU zu erfüllen, wird noch dadurch erhöht, dass mit Bulgarien und Rumänien zwei Staaten der Region jetzt vor der Tür der EU stehen und wahrscheinlich – zumindest was Bulgarien betrifft – 2007 aufgenommen werden. Gerade dieser Umstand schmerzt alle Gesellschaften Exjugoslawiens und spornt die Mittelschichten an, ihrerseits nicht den Anschluss zu verlieren.
ERICH RATHFELDER