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Archiv-Artikel

„Wer die Praxisgebühr zahlt, ist der Dumme“

Die deutschen Mediziner sollten froh sein, dass die meisten Patienten so brav sind, sagt Ärztevertreter Winfried Beck

taz: Herr Beck, nach einem Urteil des Düsseldorfer Sozialgerichts drohen Verweigerern der Praxisgebühr keine Prozesskosten. Wie reagieren die Patienten auf diese Entscheidung?

Winfried Beck: Sie sind natürlich sehr verunsichert. Wer bezahlt, ist eigentlich der Dumme. Ich verstehe nicht, warum Verweigerer gar nicht mehr sanktioniert werden sollen. Das ist so, als ob es auf einmal keine Strafe mehr dafür gibt, bei Rot über die Ampel zu fahren.

Dürfen wir als Patienten dieses Urteil also als Ermunterung verstehen, ab sofort einfach systematisch die Praxisgebühr zu prellen?

Das wäre nur dann berechtigt, wenn es zu einer kollektiven politischen Bewegung gegen die Praxisgebühr käme. Ich hätte dafür Verständnis. Die Gebühr in ihrer heutigen Form ist reine Abzocke. Sie hat nicht mehr die beabsichtigte Lenkungswirkung hin zum Hausarzt als Primärarzt. Wenn Patienten nur individuell die Zahlung verweigern würden, wäre das falsch. Die politische Wirkung würde vollständig verpuffen.

Wieso zahlen bisher über 99 Prozent brav die zehn Euro?

Die Beziehung zwischen Arzt und Patient ist ja eine Vertrauensbeziehung. Die meisten wollen dieses Verhältnis nicht aufs Spiel setzen. Dazu kommt, dass sich die Bezahlkultur gewandelt hat. Früher wäre es undenkbar gewesen, dass beim Arzt Geld über den Tresen wandert. Heute ist das ganz normal.

Über wen sprechen wir, wenn von den bisherigen Nichtzahlern die Rede ist?

Das sind zum einen Notfälle, die in einer akuten Situation gerade kein Geld bei sich haben. Die zahlen in der Regel aber nachträglich. Dann gibt es eine Gruppe, die schlicht kein Geld dafür hat, zum Beispiel Obdachlose. Das Traurige ist, dass die meisten aus dieser Gruppe gar nicht erst zum Arzt gehen und die Krankheiten verschleppen. Schließlich gibt es noch die Renitenten. Die sind wütend und sauer über die Praxisgebühr und wollen aus Prinzip nicht zahlen.

Was wird sich nun nach dem Düsseldorfer Urteil verändern?

Ich glaube nicht an einen Einbruch der Zahlungsmoral. Die Renitenten werden vielleicht noch renitenter, aber der Großteil der Patienten ist von einer unglaublichen Sanftmütigkeit.

Wie groß ist noch die Hoffnung der Ärzte, das Eintreiben der Praxisgebühr an die Kassen zu übertragen?

Eigentlich ist es ja logisch, dass die Kassen, denen das Geld zugute kommt, sich darum kümmern, dass es auch bezahlt wird. Die Ärztelobby ist andererseits durch die diversen Gesetzesänderungen der letzten Zeit geschwächt. Dazu kommt, dass die Politik die Kassen schonen will, denn schließlich müssen die Beiträge runter. Es bleibt also nur eine kleine Resthoffnung für die Ärzte. INTERVIEW: NADINE BÖS