: Grünes Glück im Hof
Wer einen Garten vor der Tür haben will, muss sich kein Reihenhäuschen kaufen. Auch im Hof eines Wohnblocks kann ein Paradies entstehen
von Gernot Knödler
Am Diebsteich herrschen paradiesische Zustände. Manfred Frenz und seine Nachbarn haben hinter ihren beiden vierstöckigen Mietshäusern im Bessemerweg eine Gartenlandschaft geschaffen, mit der so manche Villa nicht mithalten kann: Hier gibt es einen Teich, einen Grillplatz, eine Laube, Blumenbeete und Obstbäume – alles in einer Anordnung, die einen Gang durch diese Oase, einen Steinwurf von der Stresemannstraße entfernt, zum Erlebnis macht. Zwei Preise hat der Garten in den 80er Jahren bekommen. Möglich wurde das Wunder, weil vier Nachbarn ihre Gärten zusammengelegt haben.
„Wir haben uns gesagt: Lasst uns die zusammen bewirtschaften, dann haben wir eine größere Spielfläche für die Kids“, erzählt Frenz, der seine zwei Töchter hier großgezogen hat. „Dann brauchen wir nicht drei Schaukeln und drei Sandkästen.“ 1981 hat Frenz mit seiner Frau hier eine Wohnung im Hochparterre gemietet.
In den Garten sind es nur ein paar Schritte. „Ich wohne lieber in einer Zweieinhalb-Zimmer-Wohnung mit Laubengang und Garten als in einer Vier-Zimmer-Wohnung in Ottensen“, sagt Frenz. Der Garten entschädigte ihn für die Enge der Wohnung. Frenz: „Wenn es einem zu laut wurde, ist man rausgegangen.“
Die gemeinsame Pflege der Anlage funktioniert anscheindend reibungslos. „Die Gartenarbeit macht ja Spaß“, sagt Frenz. Sie biete Abwechslung von der Arbeit und die Möglichkeit, etwas zu gestalten. „Wenn man pflanzen kann, was man will, ist das auch was anderes, als wenn man einen streng reglementierten Vorgarten in einer Reihenhaussiedlung hat“, findet er. Keiner regt sich über zu hohe Hecken oder unebenen Rasen auf, und die gemeinsame Arbeit organisiert sich entspannt von selbst. Sieht ein Nachbar den anderen beim Blick aus dem Fenster beim Jäten, kriegt er Lust mitzumachen und geht auch raus. Größere Absprachen werden beim Griechen um die Ecke getroffen.
Angst, dass die Mietparteien, die keinen Gartenanteil gemietet haben, die Früchte seiner Arbeit ernten, hat Frenz nicht. Die vier Gärtner-Familien veranstalteten Hausparties und boten den übrigen Mietern an, sich ins Grüne zu setzen – mit mäßiger Resonanz. „Es ist eher so, dass wir was machen und denken, warum nutzen es die Leute nicht mehr“, sagt Frenz. Viel Privatheit kann so eine Anlage hinter einem Mietshaus ohnehin nicht bieten, weil alle Nachbarn Einblick haben.
„Es ist nie Ruhe im Garten“, erzählt Katharina Leich von der Genossenschaft Wendebecken, einem Wohnprojekt in Barmbek Nord. „Auf der einen Seite ist das ein Riesenvorteil und toll, auf der anderen Seite kann das auch nerven.“ Alle 33 Parteien im Haus nutzen den Garten gemeinsam. Für das Schaffen von Ruhebereichen ist er dennoch zu klein.
Die Anlage entwarfen zwei Studenten im Rahmen ihrer Diplomarbeit. Wichtig sei es den Mitgliedern des Wohnprojekts gewesen, den Garten für viele unterschiedliche Leute interessant zu machen. Deshalb gibt es einen Sandkasten, Blumenbeete, mehrere Terrassen und im Sommer eine Gartendusche, Planschbecken und Hängematten. „Es ist schon was Besonderes, wenn ich im Sommer von der Arbeit nach Hause komme und mitplanschen kann“, findet Leich.
Doch weil der Garten so attraktiv ist, schafft er auch Konflikte. „Diejenigen, die keine Kinder haben, beschweren sich darüber, dass es zu laut sei“, berichtet Leich. Dazu kämen Auseinandersetzungen über die Unterhaltung und Gestaltung des Gartens, mit denen sich aber auch viele schöne Erlebnisse verbänden. „Man muss auch ein Stück weit der Typ dafür sein“, findet Leich. Wer mehr für sich sein will, für den sei eine Parterre-Wohnung möglicherweise nicht das Ideale.