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Archiv-Artikel

Brigitte Werneburg schaut sich in den Galerien von Berlin um

Die Kinderporträts von Erik Mark Sandberg sind wirklich eine haarige Angelegenheit. Um die Spielart perverser Kinderliebe, von der sie handeln, kümmert sich Ursula von der Leyen allerdings nicht. Sandberg beobachtet seinen Alltag in Los Angeles eben sehr genau, das glaubt er seinem Job als Illustrator schuldig zu sein. Weil aber „die kommerziellen Arbeiten am Ende immer digital sein müssen“, kommt bei seinen freien Arbeiten die Ästhetik des Materials ganz stark ins Spiel. Wie Sandberg damit argumentiert, kann man jetzt in der Johannssen Galerie sehen. Aus zart gemalten Details, Siebdruck, grellen Neonfarbhaufen, Zeichnungen, Originalfotos und Folien montiert er rasante, ungewöhnliche Leinwände. Bei den „Hairy Children“ beunruhigt ihn, wie sehr Popkultur und Schönheitsindustrie schon die Kinder im Griff haben, die inzwischen ihre Schulbilder digital bearbeiten dürfen, um Schönheitsfehler zu beheben. Sandberg hat das Gesicht seiner Kids nun mit tausenden feinen subversiven Härchen überzogen, was komisch, vor allem aber unheimlich wirkt. Sandberg hätte ganz wunderbar in die Sommergruppenschau „Shadow/Existence“ bei ScheiblerMitte gepasst. Unter den ganz wunderbar ausgesuchten Arbeiten von zehn Künstlern, darunter Övind Fahlström, Mark Lombardi oder Jorinde Voigt, fällt besonders Michael Wutz (Jg. 1979) mit seinem fantastischen Animationsfilm „Limbus Parvulorum“ (2006) auf, mit dem man sich auf eine reizvoll abstoßende Achterbahnfahrt durch einen Freizeitpark begibt, der wie eine Mischung aus barocker Kirchenarchitektur und Dantes Inferno erscheint. Poppig und duster, figurativ und abstrakt zugleich malt der Film just jene ambivalente, schattenhafte Existenz aus, von der die Ausstellung handelt. Begegnete man dort haarigen Kindern, wäre man nicht weiter erstaunt.

■ Erik Mark Sandberg: Picture Day in the Garden, bis 30. September, Mo.–Fr. 10–19 Uhr, Sa. 11–19 Uhr, Johanssen Gallery, Gormannstr. 23; Shadow/Existence, bis 15. August, Di.–Sa. 11–18 Uhr, ScheiblerMitte, Charlottenstr. 2