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Archiv-Artikel

Grün verdient mit

Die einstige Anti-Parteien-Partei gehört längst zum Establishment – inklusive Nebentätigkeiten

AUS BERLIN CHRISTIAN FÜLLER

Tapfer verkündet der grüne Bundestagsabgeordnete Christian Ströbele: Wir sind die Partei der schonungslosen Aufklärung. Der Rechtsanwalt hat dabei die Vergangenheit im Sinn. Den unerschrockenen Auftritt der Anti-Parteien-Partei als Selbstreinigungskraft des Parlaments. Tatsächlich aber weiß auch Ströbele, dass seit dem Fall Ludger Volmer nichts mehr ist, wie es für die Grünen einmal war.

Ludger Volmer lieferte unter den letzten Nebentätigkeitsaffären die Causa mit der größten politischen Sprengkraft – und den unappetitlichsten Begleiterscheinungen. Volmers Tätigkeit, so beschrieb sein –ebenfalls grüner – Geschäftspartner, bestehe darin, auf dem Schoß der Botschafters zu sitzen und Kontakte zu machen.

Volmer hatte kurz nach seiner Tätigkeit als Staatsminister im Auswärtigen Amt eine Firma gegründet. Diese vermittelte im Ausland die Expertise der Bundesdruckerei bei der Herstellung fälschungssicherer Papiere und Reisedokumente. So beackerte er als Unternehmer der Consulting Synthesis jenes Geschäftsfeld, auf dem er zuletzt politisch agiert hatte. Er benutzte die Drehtür aus der Regierung ins Beratergeschäft. Das war immer schon Usus, aber von den Grünen hatte man es nicht erwartet.

Auch sein Mandat als Bundestagsabgeordneter störte Volmer dabei nicht. Er hielt es weiterhin nicht für nötig, in seinem Business politische Enthaltsamkeit zu üben. So kam es, dass Volmer mal als grüner außenpolitischer Sprecher durch die Welt reiste und dann wieder als Vertreter für Reisedokumente, die die Bundesdruckerei herstellte. Er habe das eine mit dem anderen nie vermengt, verteidigt sich Volmer. Und weist den Verdacht auf Interessenkonflikten so zurück: „Ich kann nirgendwo verheimlichen, dass ich Staatsminister a. D. und MdB bin. Dafür bin ich in den Zielländern und insbesondere bei den Regierungsstellen, die sich als Gesprächspartner anbieten, zu bekannt.“

Die Grünen haben mit der Affäre Volmer nicht nur einen außenpolitischen Sprecher verloren, ihnen ist auch der Nimbus der „grundlegenden Alternative zu den Altparteien“ (Parteiprogramm aus den 80ern) abhanden gekommen. Denn sie begreifen Volmers Verhalten gar nicht mehr als illegitim. „Ich vermag das nicht zu erkennen“, sagt der parlamentarische Geschäftsführer Volker Beck dazu pikiert. Der Abgeordnete Volmer habe sich juristisch einwandfrei verhalten: Nebenjob angemeldet, Nebeneinkünfte im Rahmen der Verhaltensregeln des Bundestages für Abgeordnete.

Einige Grüne warnten Volmer, bevor sein Fall medial ausgeschlachtet wurde: „Du hast keine Chance, das zu dementieren, wenn dir jemand Interessenkonflikte unterstellt.“ Doch die Mahnungen wurden überhört – von Volmer genau wie von der Fraktionsspitze. Die Bitte um eine Debatte über den Fall Volmer in der Fraktion bügelte Geschäftsführer Beck in genau jenem autoritären Stil eines Fraktionsmanagers ab, den die Grünen früher ablehnten. „Wie könnt ihr jemanden an Regeln messen, die es gar nicht gibt?“, fragte Beck die kritischen Abgeordneten empört. Er spielte so mit der Laxheit der Verhaltensregeln bei Nebenjobs, der gegenüber die Grünen früher so bissig waren.

Die Grünen, früher Fensterputzer im trüben Aquarium Bundestag, gehören inzwischen selbst zu den Wasserverschmutzern. Sie verfallen dem ehernen Gesetz der Oligarchie, das die Politikwissenschaft kennt. Eine jüngere Arbeit der Disziplin zeigt: Seit ihrem Einzug ins Parlament ist die Zahl der Nebenjobs bei den Grünen von null kontinuierlich auf rund 20 Prozent gestiegen. Und nicht mal mehr der Eindruck einer Anti-Parteien-Partei kann entstehen. Christian Ströbele hat zwar einen blitzsauberen Vorschlag zur Regelung von Nebentätigkeiten verfasst. Aber in der Koalition kam er damit nicht durch. Der Koalitionspartner SPD hat die allzu forschen Transparenzforderungen Ströbeles weich gewaschen. Das gute Gewissen hat abgedankt.