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Archiv-Artikel

Warum nicht Steuerberater?

Neulich abends in Hemelingen: Das anatolische Bildungszentrum will den Nachwuchs aufs Berufsleben vorbereiten. Der Nachwuchs guckt, kichert, lacht – und will am liebsten nach draußen

Von sgi

bremen taz ■ „Nicht lachen“, ruft Rahmi Tuncer – und muss selber grinsen. Um ihn herum sitzen sechs Jungs und kichern. Sie sind zwischen 14 und 16 und ihnen widerfährt, was Menschen in dem Alter häufig passiert: Sie haben gerade einen Lachflash. Sowas steckt an.

Dabei geht es um eine verdammt ernste Sache: die Berufsfindung. Es ist der erste warme Abend, in Hemelingen riecht die Luft schon ein bisschen nach Blumen und einem vielversprechenden Sommer. Aber Rahmi Tuncer kennt heute kein Erbarmen. Das Anatolische Bildungszentrum hat zum Infoabend geladen, ein paar Schüler sind gekommen – jene kichernden Sechs, die brav beim Aufbau des Videobeamers helfen und aufmerksam den bundesbehördlichen Film über das duale Ausbildungssystem begucken, in dem ein Andreas Industriemechaniker und eine Christine Bankkauffrau wird.

Danach geht es um sie selbst. Sie erzählen von den ersten Praktika. „Im Baumarkt. Das war interessant“, sagt einer. „Im Büro, das war langweilig“, sagt ein anderer. Jetzt will er „was mit Sozialpädagogik“ machen. Ein Dritter erzählt von der Arbeit auf einem Abenteuerspielplatz, er würde gerne was mit Kindern machen. „Oder mit Tieren.“ Die sechs gucken sich an. Ein Zucken hier, ein Prusten da, dann geht es wieder los: rote Köpfe, vorgehaltene Hände, ungebändigte Fröhlichkeit. Die meisten Jungs hier gehen in die achte oder neunte Klasse der Realschule, sie haben noch etwas Zeit mit der Berufswahl, aber Rahmi Tuncer macht schonmal Druck. „Wir werden mal wieder ins BIZ gehen“, erklärt er und reicht Broschüren herum, „die übersetzen wir und geben sie euren Eltern.“ Und dass eine Lehre bei Mercedes, wo einige der Eltern arbeiten, nicht das Schlechteste sei. Oder Steuerberater – das sei eine echte Marktlücke für die zweisprachigen Jungs, findet Tuncer. Steuerberater – die Knaben tun nicht mal mehr interessiert. Sie scharren mit den Stühlen. „Also gut“, sagt Tuncer, aber es ist klar: Man trifft sich wieder. Und schon sind die Kids raus. In den ersten lauen Abend des Jahres. Der Sommer wird kommen. Soviel steht fest. sgi