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: HELMUT HÖGE über den „Firetag“ im neuen Türkischen Haus

Ein neuer Tag: Nevruz, Nevroz, Navriz

Vor einiger Zeit gab die türkische Botschaft bekannt, dass es jetzt auch in Berlin ein „Türkisches Haus“ gäbe – und zwar in den Räumen des ehemaligen Postmuseums an der Urania. Das Haus stünde allen türkischen Vereinen und Organisationen für ihre Veranstaltungen zur Verfügung. Dort fand nun zum zweiten Mal, organisiert von der türkischen Gemeinde und dem aserbaidschanischen sowie dem turkmenischen Kulturinstitut, eine Veranstaltung zum türkischen Neujahrs- beziehungsweise Frühlingsfest – Nevruz – statt.

Das Nevroz-Fest (mit „o“) kannte ich bisher nur als eine kurdische Veranstaltung, die in der Türkei meist verboten war, weswegen es jedes Mal Auseinandersetzungen mit Polizei und Militär gab – mit vielen Verhafteten und sogar Toten. (In diesem Jahr blieben die meisten kurdischen Nevroz-Feiern jedoch unbehelligt.) Auch in Deutschland wurden die Nevroz-Feste in den letzten 20 Jahren wiederholt von der Polizei heimgesucht, weil dabei Fahnen und Embleme der hier ebenfalls verbotenen kurdischen revolutionären Partei PKK gezeigt wurden.

Die sozusagen staatlichen Nevruz-Feste im „Türkischen Haus“ wurden bisher noch nicht gestört, sie hatten aber auch eher den Charakter einer gediegenen Kulturveranstaltung – und endeten mit dem Servieren von edlen Getränken und feinen türkischen Appetithäppchen. Da das Nevruz-Fest auch in anderen Ländern mit türkischsprachiger Bevölkerung (wie Aserbaidschan, Turkmenistan und Kasachstan) gefeiert wird, war heuer neben einem deutsch-türkischen Historiker, der über die Geschichte des Nevruz referierte, auch eine aserbaidschanische Kulturwissenschaftlerin mit einem Redebeitrag vertreten. Anschließend führten die Jungen und Mädchen des türkischen Folklorevereins in der Kreuzberger Wrangelstraße einige Tänze vor, wobei sie von traditionellen Instrumenten begleitet wurden.

Weltweit wird der Beginn des neuen Jahres beziehungsweise der Frühling gefeiert: Hier beginnt der Reigen Ende Dezember mit Weihnachten/Silvester und setzt sich im März/April mit Ostern fort – unser Neujahrs- und Frühlingsfest ist also von der christlichen Religion auseinander gezerrt worden. Die Chinesen feiern beides zusammen im Januar, und die Mongolen im Februar: dem Weißen Monat. Dort feiert aber die kasachische Minderheit, ebenso wie in China die uigurische, am 21. März auch noch das Nevruzfest – Navriz von ihnen genannt. Das eine wie das andere heißt wörtlich übersetzt „neuer Tag“.

Professor Abdulhaluk M. Cay behauptet, in einer im türkischen Haus ausgelegten Broschüre, dass das Fest auf die zoroastrischen Iraner zurückgeht, die das Feuer verehrten. Das würde unter anderem erklären, warum die Nevruz Feiernden gerne über Feuer springen. Daneben gehören Reigentänze, Ringkämpfe und Reiterspiele sowie natürlich gutes Essen und Trinken zum Nevruz-Programm, stellenweise auch das Verstecken bunt gefärbter Eier. Bei den Vieh züchtenden Turkvölkern gibt es darüber hinaus auch noch den Brauch, dass man jedes Tier seiner Herde vor dem Aufbruch zur Sommerweide über ein Feuer springen lässt.

Im vergangenen Jahr wollte ich um den 21. März mit einer Parsin, einer Inderin zoroastrischen Glaubens, zu einer Kirmes in Tegel. Diese hatte an dem Tag jedoch geschlossen: „Wegen ‚Feiertag‘!“ erklärte ich ihr. Aber das mache nichts, fuhr ich fort, dann fahren wir eben einfach weiter – raus aus der Stadt in ein Landgasthaus. Hinter Oranienburg wurde es langsam dunkel – plötzlich flammten überall in den Gärten und auf den Feldern Osterfeuer auf. „Ah, Firetag! Jetzt versteh ich!“ freute sich meine Begleiterin – und wurde darüber als Parsin ganz aufgekratzt. Sie bat mich anzuhalten, um über eines der Feuer springen zu können, bevor sie runtergebrannt waren. So geschah es dann auch, wobei sie sich jedoch nasse Füße holte, denn die Wiese war noch ganz feucht vom Winter.