: Die Menschen der Region sollten gewarnt sein
Die Anrainer des Indischen Ozeans können sich nicht auf ein gemeinsames Frühwarnsystem einigen. Indonesien schafft nun Tatsachen und ordert das deutsche Verfahren. Unterdessen rangeln in der Tsunami-Region die Helfer um Projekte
BANGKOK taz ■ „Wir wollen nicht länger auf andere Länder warten.“ Thailands Premier Thaksin Shinawatra kündigte gestern – nach dem jüngsten Beben vor der Küste Sumatras – an, den Aufbau eines eigenen Tsunami-Warnsystems zu beschleunigen und mit internationalen Netzwerken zu verknüpfen. Schon Ende nächsten Monats soll das Projekt starten.
Die offizielle Ankündigung dürfte als Seitenhieb gewertet werden auf die ins Stocken geratene Debatte um ein Frühwarnsystem im Indischen Ozean. Auf einer Unesco-Konferenz Anfang März in Paris hatten sich die Anrainerstaaten zwar darauf verständigt, als Konsequenz aus der Flutkatastrophe vom 26. Dezember bis Ende 2006 ein entsprechendes Frühwarnsystem einzurichten. Ob es darüber hinaus aber auch ein regionales Warnzentrum geben wird, ist weiterhin offen. Bislang ist man sich weder über den Standort noch über die Finanzierung einig. In der Zwischenzeit soll mit Hilfe von Erdbebenstationen in Tokio und Hawaii schon ab dem 1. April ein vorläufiges Warnsystem in Betrieb genommen werden. Darüber hinaus ist geplant, mindestens sechs neue Messstationen im Indischen Ozean zu installieren und fünfzehn bestehende auszubauen.
Politischen Streit über den Standort eines zentralen Warnsystems gab es bereits im Vorfeld des Pariser Treffens. Bei einer Konferenz auf Thailands Ferieninsel Phuket Ende Januar hatte sich der Gastgeber weit aus dem Fenster gelehnt: Thailands Vorstoß, das seit 1986 in Bangkok ansässige und von den Vereinten Nationen getragene Katastrophenschutzzentrum ADPC (Asian Disaster Preparedness Centre) zur federführenden regionalen Einrichtung auszubauen, war vor allem den Teilnehmern aus Indonesien und Indien aufgestoßen. Beide Staaten setzen auch künftig lieber darauf, die schon vorhandenen nationalen Zentren zu stärken.
Vor allem das krisengeschüttelte Indonesien hat bereits entscheidende Schritte eingeleitet: Mitte März unterzeichnete das Inselreich einen Vertrag über den Kauf des vom Geoforschungszentrum Potsdam entwickelten deutschen Tsunami-Frühwarnsystems. Abgesehen davon, dass über den Standort eines regionalen Zentrums gestritten wird, erscheint es Kritikern zudem fraglich, ob ein übergeordnetes Warnsystem überhaupt Sinn macht. Denn ein Land, das eine Flutwellenwarnung ausspricht, trägt dafür letztlich auch die politische Verantwortung.
Noch immer leiden die Menschen in den vom Tsunami verwüsteten Regionen unter den Folgen ihrer traumatischen Erlebnisse. Zwar ist drei Monate nach der Flut in Indonesien, Sri Lanka, Indien und Thailand die größte Not gelindert. Doch der Wiederaufbau geht oft mühsam voran. Die Kritik, die aus den Reihen politischer Beobachter kommt, ist immer dieselbe: Durch Korruption, bürokratische Hürden und Politgerangel landen Spendengelder nicht immer dort, wo sie eigentlich ankommen sollten.
Nach dem politischen Hin und Her um die Aufenthaltserlaubnis ausländischer Helfer in Indonesien fragen sich vor allem viele Betroffene in der verwüsteten Provinz Aceh, wie lange sie noch von deren Unterstützung profitieren werden. Gleichzeitig wird der Ruf von Experten immer lauter, dass sich internationale Hilfsorganisationen besser abstimmen sollten. Viele von ihnen, die Wiederaufbauhilfe leisten, liefern sich einen harten Kampf um Projekte. Mit der Folge, dass sie in manchen Dörfern und Gebieten nahezu überrepräsentiert sind, während einzelne Familien oder abseits liegende Dörfer durchs soziale Raster fallen.
Diese werden dann von kleinen Einrichtungen betreut, die aber meist nicht viel Geld haben, um Hilfe zur Selbsthilfe anbieten zu können. „Die unmittelbaren Bedürfnisse der Menschen sind gestillt“, bilanziert Bodhi Garrett, Leiter der Initiative North Andaman Tsunami Relief im thailändischen Kura Buri gegenüber der taz. „Aber es fehlt an Planung und an Unterstützung für mittel- und langfristige Bedürfnisse.“ NICOLA GLASS