: Keine Klunker für Junker
Europäischer Gerichtshof weist Ansprüche früherer Großgrundbesitzer ab. Bundesrepublik für Enteignungen zwischen 1945 und 1949 unter sowjetischer Besatzungsmacht nicht zuständig
STRASSBURG taz/ap/dpa ■ Jubel in Ostdeutschland, Katzenjammer beim preußischen Landadel: Das waren gestern die Reaktionen auf ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, der in Straßburg die Rückgabeansprüche der früheren Großgrundbesitzer endgültig abgelehnt hat. Für Enteignungen, die zwischen 1945 und 1949 in der sowjetischen Besatzungszone stattfanden und die 1990 im Einigungsvertrag festgeschrieben wurden, ist die Bundesrepublik nach Ansicht der Richter nicht verantwortlich. Bei der Festsetzung der Entschädigungen, die von den Alteigentümern als viel zu niedrig kritisiert wurden, habe der Staat daher einen „weiten Ermessensspielraum“.
Politiker aller Parteien außer der FDP begrüßten das Urteil gestern. Thüringens Ministerpräsident Dieter Althaus (CDU) sagte, die Unsicherheit über die Eigentumsverhältnisse habe den Aufbau in den neuen Ländern negativ beeinflusst. Der mecklenburgische Landwirtschaftsminister und SPD-Vorsitzende Till Backhaus betonte, „der Weg für dringliche Zukunftsinvestitionen“ in seinem Land sei nun „nicht länger verbaut“. Bundesjustizministerin Brigitte Zypries erklärte, mit dem Urteil seien die streitigen Rechtsfragen abschließend geklärt und es herrsche Rechtssicherheit für alle.
Als „richtig und gut“ bezeichnete den Richterspruch auch der CDU-Politiker Lothar de Maizière, der sich als letzter DDR-Ministerpräsident gegen eine Rückgabe der Ländereien eingesetzt hatte. Der PDS-Ehrenvorsitzende Hans Modrow sprach von einem „deutlichen Nein gegen die permanenten Versuche, die Geschichte zu revidieren“.
Die Aktionsgemeinschaft „Recht und Eigentum“, die einen Teil der Alteigentümer vertritt, kritisierte naturgemäß die Entscheidung des Straßburger Gerichts. Der Vorsitzende Manfred Graf von Schwerin bezeichnete das Urteil als „mittlere Katastrophe“. Der Streit werde „auf allen Ebenen“ weitergehen. Auch Prozesse vor US-Gerichten seien nicht auszuschließen. „Die Betroffenen selbst werden sich über amerikanische Sammelklagen zu wehren wissen“, sagte von Schwerin. „Wenn die Sache in Deutschland und Europa nicht zu lösen ist, dann müssen wir eben andere Wege gehen.“
Offen ist dagegen der Streit um eine weitere Gruppe von Alteigentümern. Dabei geht es um jene Ostdeutschen, die als Nutznießer der Bodenreform Teile des enteigneten Landes erhielten und nach 1990 ihrerseits enteignet wurden, sofern sie die Flächen nicht mehr landwirtschaftlich nutzten. Hier wird das Urteil in einigen Monaten erwartet.
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