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Archiv-Artikel

UN-Friedenstruppen sollen Krieg führen

Sicherheitsrat der Vereinten Nationen verlängert die Kongo-Mission um sechs Monate und verschärft das Mandat. Blauhelme sollen jetzt wenn nötig gewaltsam gegen illegale Milizen vorgehen, um die Zivilbevölkerung zu schützen

BUJUMBURA taz ■ Die größte UN-Friedensmission der Welt soll sich demnächst auf Krieg einstellen. Der UN-Sicherheitsrat hat am Mittwochabend einstimmig das Mandat der UN-Mission in der Demokratischen Republik Kongo (Monuc) um sechs Monate verlängert und in der einstimmig verabschiedeten Resolution 1592 den Kampf gegen illegale Milizen und den Schutz der Zivilbevölkerung vor diesen Milizen betont. Neue Soldaten gibt es dafür aber nicht.

Es müsse den knapp 15.000 Blauhelmen jetzt vor allem darum gehen, „jeden Versuch der Gewaltanwendung zur Bedrohung des politischen Prozesses abzuschrecken und den Schutz von Zivilisten unter unmittelbarer Androhung physischer Gewalt gegen jede bewaffnete Gruppe, ausländisch oder kongolesisch, und insbesondere die Ex-FAR und Interahamwe (ruandische Hutu-Milizen im Ostkongo; d. Red.) sicherzustellen“, heißt es in der Resolution. Dafür sei die Monuc befugt, durch Abriegelung von Kampfzonen und Durchsuchung der dort befindlichen Milizen auf Waffen, die „militärischen Fähigkeiten illegaler bewaffneter Gruppen zu stören“.

Noch nie hat der UN-Sicherheitsrat die UN-Truppen im Kongo so unmissverständlich und detailliert aufgefordert, mit ihren Sonderbrigaden in den ostkongolesischen Regionen Ituri und Kivu gegen die Gewalt der Milizen vorzugehen. In Ituri haben sich die Vertreibungen von Zivilisten durch ethnische Milizen in den letzten Monaten verstärkt. In der Provinz Südkivu sind die ruandischen Hutu-Milizen erneut sehr stark geworden.

Die Resolution fordert auch Kongos Regierung und die Nachbarn auf, jede Unterstützung irregulärer bewaffneter Gruppen im Ostkongo einzustellen. Kongos Regierung müsse mit dem Aufbau einer geordneten Armee und den Vorbereitungen für Wahlen beginnen, damit der Friedensprozess vorankommt.

In seiner Vorlage für den Sicherheitsrat hatte der UN-Generalsekretär der Monuc bei der Vorbereitung und Absicherung von Wahlen eine zentralere Rolle gegeben und die Verlängerung des Monuc-Mandats um ein Jahr gefordert. Diesem Wunsch folgte der Sicherheitsrat nicht – zunächst muss Frieden im Osten des Landes hergestellt werden.

Im nordostkongolesischen Distrikt Ituri wendet die Monuc bereits Gewalt gegen Milizen an – eine Reaktion auf die Tötung von neun UN-Soldaten dort am 25. Februar. Das Demobilisierungsprogramm der UN für Ituris Milizen endet am 1. April. Nach UN-Angaben werden Milizen in Ituri ab diesem Datum als „Kriminelle“ behandelt und bekämpft. Nach UN-Statistiken haben sich von geschätzt 15.000 Milizionären in Ituri bis Mittwoch 6.227 in Demobilisierungslager begeben.

Eine ähnliche Operation steht gegen die irregulären ruandischen Hutu-Kämpfer im Ostkongo an, deren Zahl auf bis zu 15.000 geschätzt wird. Die Afrikanische Union plant auf Wunsch Ruandas die Entsendung einer Eingreiftruppe zum Kampf gegen diese Milizen.

Im italienischen San Egidio finden dieser Tage Gespräche zwischen der politischen Vertretung der Milizen FDLR (Demokratische Kräfte zur Befreiung Ruandas) und den Regierungen Kongos und Ruandas statt. Diese sind von der katholischen Kirche vermittelt und sollen die Bedingungen der Kapitulation und Demobilisierung der Milizen klären.

Die UN-Resolution 1592 betont, dass die Milizen eine der wichtigsten Bedrohungen für die Befriedung der Region darstellen, und fordert ein gemeinsames Konzept von UNO, Afrikanischer Union und Kongos Regierung, um diese Bedrohung unschädlich zu machen. Stärkere und verbesserte Zusammenarbeit zwischen UNO und Afrikas Regionalorganisationen war auch die Hauptforderung einer Generaldebatte des Sicherheitsrats zu Afrikas Konflikten, die der Verabschiedung der Kongo-Resolution voranging. Afrikas Kriege beanspruchten 60 Prozent der Zeit des Sicherheitsrates. Daher müssten afrikanische Organisationen verstärkt in UN-überwachte Friedensprozesse eingebunden werden, hieß es.

DOMINIC JOHNSON