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Archiv-Artikel

Disteln in Tor Vergata

SCHWIMMEN Ab heute suchen die Schwimmer in Rom ihre Besten – in provisorischer Infrastruktur

Sportstätten wurden widerrechtlich über Ausgrabungen, auf unsicherem Baugrund oder in Parks errichtet

ROM taz | Die Zeit, als in Rom Wasserbauwerke erfolgreich errichtet wurden, liegt ungefähr 2.000 Jahre zurück. Von dieser glorreichen Epoche künden noch heute die imposanten bogenförmigen Aquädukte. Der spanische Stararchitekt Santiago Calatrava hat im 21. Jahrhundert für ein Gelände vor den Toren der ewigen Stadt einen gigantischen Sportkomplex geplant, der, aus zwei eleganten Segeln geformt, ästhetisch und funktional den antiken Anlagen durchaus ebenbürtig sein könnte.

In ihm sollte ursprünglich die heute beginnende 13. Weltmeisterschaft im Schwimmen, Synchronschwimmen und Wasserball ausgetragen werden. Doch stattdessen künden in Tor Vergata nur ein Schild, ein Loch und einige Kräne von den geplanten Großtaten. Disteln überwuchern malerisch das Feld an der Ausfallstraße Richtung Neapel. Geschwommen wird trotzdem in Rom, allerdings nur im Bassin der Olympischen Spiele von 1960. Im alten Olympischen Komplex wurden zudem zwei provisorische Becken errichtet. Weil außerdem über einigen der insgesamt 20 in letzter Minute fertiggestellten Trainingshallen die Drohung der Beschlagnahme durch die Staatsanwaltschaft schwebt, ist die WM in ein riesiges Baudesaster gebettet.

Dabei hatte es so schön werden sollen. Roms letzter Oberbürgermeister Walter Veltroni hatte einen gewaltigen sportpolitischen Etappenplan ausgetüftelt, der seiner Stadt die Olympischen Sommerspiele 2020 bescheren sollte. Kernelement der Investitionen war die Città dello Sport von Calatrava in Tor Vergata. Der Komplex mit einer Mehrzweckhalle für 18.000 Zuschauer, einem Schwimmstadion mit 4.000 Plätzen und anderen kleineren Sportstätten sollte zur Schwimm-WM eingeweiht werden. Eine nächste Bewährungsprobe hätte die Volleyball-WM 2010 gebracht. Für 2014 bewarb sich Rom für die Basketball-WM. All dies sind Vorhaben, die bei gutem Gelingen die hohen Olympier womöglich überzeugt hätten, Rom nach 60 Jahren wieder Olympia anzuvertrauen.

Aber mit dem doppelten Regierungswechsel in Rom gerieten die Bauarbeiten ins Stocken. Zwar wurden nach Angaben der Gazzetta dello Sport schon 200 Millionen Euro verbaut. Doch Premierminister Berlusconi und Bürgermeister Alemanno stoppten die vorgesehenen Zuwendungen von jährlich 60 Millionen Euro. Alemanno will mit dem Geld angeblich die Metro-Linie B weiter ausbauen. Einen konkreten Vertrag dazu gibt es aber noch nicht. Die Römer warten seit 20 Jahren auf den Ausbau dieser Strecke.

Im Büro des Architekten Calatrava ist man nicht gut auf die Auftraggeber der Città dello Sport zu sprechen. Konkrete Auskünfte zur Zukunft des Projekts werden nicht gegeben. Von der Website des Büros ist jeder Hinweis auf das Vorhaben getilgt. Olympia 2020 wird einen Bogen um den Tiber machen. Die Basketball-WM 2014 ist Ende Mai an Spanien vergeben worden. Eine Halle für die Volleyball-WM wird sich unter den existierenden Sportstätten schon finden.

So wie sich auch die alte Anlage von 1960 für die Schwimm-WM in diesem Sommer gefunden hat. In das bejahrte Bassin wurde ein neues Becken eingebaut. Kurzsprintspezialist Alain Bernard war beim Ortstermin begeistert. Das ist eine der schnellsten Anlagen weltweit, meinte der Franzose.

Die Trainingshallen für die Sportler stehen inzwischen auch. Nicht dabei ist definitiv das Salaria Sport Village. Hier hatte ein privater Investor die Gelegenheit beim Schopf ergriffen, als der Hochkommissar für den Stadionbau Claudio Rinaldi bestehendes Baurecht außer Kraft setzte, um eine schöne Infrastruktur für die Schwimm-WM zu schaffen. Der Betonkomplex mit Schwimmhalle, Hotel und Beauty-Center ist nur wenige Meter vom Tiber entfernt, der im Winter über die Ufer getreten war. Weil die Sicherheit für den Bau nicht gewährleistet war, hat Staatsanwalt Sergio Colaiocco das Tor mit einem Siegel verschließen lassen.

Drei weitere Anlagen – Gav Sport City, Flaminio Sporting Club und Tevere Remo – waren Ende Juni ebenfalls gesperrt worden. Sie sind widerrechtlich über Ausgrabungsstätten, auf unsicherem Baugrund oder in Parkanlagen errichtet worden. Gegen 11 der 17 privat gebauten Schwimmstätten hatten kommunale Experten Einwände.

Drei öffentliche Hallen immerhin sind fertiggeworden, ohne dass die Staatsanwaltschaft dort ermitteln muss. Einziger Schönheitsfleck: Statt 35 Millionen Euro wie geplant wurden hier 55 Millionen ausgegeben. Und es sind noch nicht einmal alle Zusatzbauten fertig. Der Plan, Rom zur Metropole des Schwimmsports zu machen, ist grandios gescheitert. Nur drei Anlagen in der Peripherie sind für die Öffentlichkeit hinzugekommen. Der Großteil der Wettkampfstätten wird Anfang August wieder eingerissen. Die 17 privaten Hallen, von denen immer noch nicht klar ist, wie viele tatsächlich benutzbar sind, waren von vornherein nur für einen eingeschränkten Personenkreis zugänglich. Rom zeigt schon vorab, wie man ein Sportevent nicht ausrichten sollte. TOM MUSTROPH