: Gymnasien unter Druck
Diskussion um Rückbau des Kurswahlsystems gewinnt an Fahrt. Elternräte fordern stattdessen kleinere Leistungskurse
Das Thema gewinnt an Fahrt. Nachdem vor wenigen Tagen der Schulausschuss Experten zur Oberstufe anhörte, stellt Bildungssenatorin Alexandra Dinges-Dierig (parteilos) am Donnerstag bei einem Hearing vor Fachleuten ihre Vorstellungen zur Diskussion.
Zum 1. August 2006, so der von der CDU-Fraktion aufgegebene Fahrplan, soll die neue Oberstufe starten. Vorbild ist Baden-Württemberg, das Mathematik, Deutsch und Englisch zu zentralen Prüfungsfächern erklärte. Allerdings, so CDU-Schulpolitiker Robert Heinemann, müsse dies „nicht flächendeckend“ geschehen. „Schulen könnten verschiedene Lösungen probieren“, sagt Heinemann.
Derweil sorgen sich Elternräte, dass hier unter Finanzdruck das bewährte Modell der freien Wahl von Leistungskursen gekippt wird. Denn seit im Sommer 2004 die Frequenz sogar für Leistungskurse von 15 auf 22 heraufgesetzt wurde, ist das System insbesondere an kleineren Gymnasien kaum noch organisierbar.
So erklärte in der Expertenanhörung auch Dagmar Wagener vom Gymnasialleiterverband, sie befürworte eine „Reduktion“ der Kurswahlfreiheit. Zuvor hatte eine andere Schulleiterin das als „Eimsbüttler Modell“ bekannte Oberstufenzentrum hinterfragt: „Unsere Schüler gehen uns dort aus dem Blick.“
Das anschließend von der CDU verbreitete Fazit, „Experten sehen dringend Handlungsbedarf – Absage an Oberstufenzentren“, wurde der fünfstündigen Anhörung aber nicht gerecht. So warnte Professor Ludwig Huber von der Uni Bielefeld, der Leistungskurs werde „zu Unrecht novelliert“. Denn die dort mögliche Bildung von individuellen Schwerpunkten sei sehr wohl wichtig fürs spätere Studium.
„Die Schüler nehmen die Schule wie monotonen Fichtenwald wahr“, mahnte auch Hans Kröger vom Oberstufenkolleg der Bielefelder Universität. Das führe dazu, dass auch Schüler, die Mathe bis zum Abitur belegen, es später nicht gut könnten. Wichtig sei deshalb „Differenzen einzubauen“. Am Bielefelder Kolleg, wo das Lernen erforscht wird und immerhin die Hälfte der Schüler auch ohne Oberstufenempfehlung erfolgreich sind, würden sogar sechsstündige Leistungskurse geboten. Es gebe aber auch Projektunterricht und Crashkurse zur Übung der so genannten „basalen Fähigkeiten“ in Deutsch, Mathe und Englisch. Damit Abiturienten richtig Schreiben und Rechnen können, so die Uni-Experten, müssen sie diese Fächer nicht gleich als Leistungskurs belegen.
„Bundesweit“ so Huber, laufen übrigens viele dem an der Max-Brauer-Schule praktizierten Lernen in „Profilen“ nach: Diese sind besser planbar, weil Schüler sich auf Fächerkombinationen festlegen und zugleich Interdisziplinarität fördern. So behandeln dort beispielsweise die Schüler des „Umwelt“-Profils in den Fächer Erdkunde, Biologie, Religion und Physik ein gemeinsames Thema – eine Reformperle, die durch die neuen Pläne bedroht werden könnte. „Wenn sie etwas verändern“, bat Max-Brauer-Schulleiterin Barbara Rieckmann, „dann so, dass den Schulen Gestaltungsmöglichkeiten bleiben.“ Kaija Kutter