: Brüssel und die Krise drängen Renault zu neuen Wegen
AUTOBAUER Der französische Konzern setzt auf Recycling. Das spart Rohstoffe und schafft Arbeit
PARIS taz | Autos be- und verarbeiten – vom Anfang bis zum schrottigen Ende. So lautet ein neues Vorhaben von Renault. Der französische Autobauer will künftig an seinem Standort Flins bei Paris Autos in ihre Einzelteile zerlegen und recyceln. Der Konzern reagiert damit nicht nur auf die Krise, sondern als erster Autobauer auch auf eine europäische Regelung. Sie schreibt vor, dass vom Jahr 2015 an 95 Prozent der Teile aller neuen Fahrzeuge recycelbar sein müssen.
Renault kämpft wie die anderen Autohersteller gegen krisenbedingte Absatzeinbrüche. Im ersten Halbjahr verkaufte der Konzern nur noch 1,1 Millionen Fahrzeuge, 16 Prozent weniger als vor einem Jahr. Ohne die rumänische Billigmarke Dacia, die ihren Absatz in Europa fast verdoppelte, wäre der Rückgang noch stärker gewesen. Der französische Staat hilft bereits mit verbilligten Krediten über 3 Milliarden Euro. Teil des Abkommens ist, dass keine betriebsbedingten Kündigungen ausgesprochen werden. Gleichwohl soll die Mitarbeiterzahl über altersbedingte Fluktuation und freiwillige Abgänge in diesem Jahr um 9.000 auf 120.000 gesenkt werden.
Für die Belegschaft in Flins könnte das Recycling neue Perspektiven bieten. Bislang hatte Renault hier lediglich den Bau seines Elektrokleinwagens anvisiert und erwogen, neue Batterien für Elektroautos zu produzieren.
Die Verschrottungs- und Recyclingfabrik bereitet Renault als Joint Venture vor. Partner ist Sita, eine Filiale der Gruppe Suez Environnement, weltweite Nummer zwei in der Wasser- und Müllwirtschaft. Laut Renault-Pressesprecher Olivier Floc’hic schreckten die hohen Kosten des Recyclings bislang die Autobauer ab. Der „Return on Investment“, die Kapitalrendite, war unsicher. Jetzt schafft die EU-Vorschrift für das Jahr 2015 einen Ansporn. Es geht darum, aus Schrottautos wiederverwendbares Kupfer, Stahl und Aluminium zu gewinnen und weiterzuverwerten. In Flins will Renault nicht nur eigene Fahrzeuge, sondern auch Autos der Konkurrenz zerlegen und recyceln. Eine Machbarkeitsstudie läuft bereits, und auch mit „lokalen Partnern“ wird bereits verhandelt. Die Fabrik soll spätestens 2015 eröffnen. Einen genauen Termin gibt es nicht. Unklar ist auch, wie viele Menschen hier arbeiten sollen.
Die Renault-Fabrik in Flins, 40 Kilometer nordwestlich von Paris, war einmal ein wichtiger industrieller Kern des Seine-Tals. Doch von den 22.000 Arbeitsplätzen, die es vor 20 Jahren an dem Renault-Standort gab, sind heute nur noch rund 3.500 übrig. Den Beschäftigten auf diesen Stellen verschaffte die Abwrackprämie von 1.000 Euro, die Frankreich im Dezember für zunächst ein Jahr eingeführt hatte, einen Aufschub. Sie sorgte für einen Anstieg der Nachfrage nach dem Clio, dem einzigen Auto, das heute in Flins gebaut wird. Statt bis Oktober soll die Clio-Herstellung nun bis Dezember laufen. Zusätzlich wurde ein Teil der Clio-Produktion aus dem slowenischen Renault-Werk Novo Mesto nach Flins verlagert.
In den vergangenen Wochen waren in der französischen Autoindustrie trotz staatlicher Hilfen und trotz der Abwrackprämie vor allem Arbeitsplätze vernichtet worden. New Fabris mit den Hauptkunden Renault und Peugeot beispielsweise hat gerade erst seine 366 Beschäftigten entlassen. Aus Protest gegen die minimale Abfindung von 6.600 Euro drohen diese nun damit, die Fabrik am 31. Juli zu sprengen.
Das von Industrieminister Christian Estrosi angekündigte Auslaufen der Abwrackprämie verstärkt den Druck in der Branche noch. Die Konzernchefs haben bereits an die französische Regierung appelliert, allenfalls „schrittweise“ aus der Prämienzahlung auszusteigen. Ein „brutaler Stopp“, so drohen sie, hätte schwere Konsequenzen.
DOROTHEA HAHN