die charlottenburgerin : Ingeborg Beer: „Der Ku’damm war ja immer beides, offen und provinziell“
Ingeborg Beer ist freiberufliche Stadtplanerin. Sie lebt und arbeitet am oberen Ende des Kurfürstendamms: „Meine Geschichte mit dem Kurfürstendamm ist auch die Geschichte, wie ich hier gelebt habe. Ich wohne seit 20 Jahren hier, wir sind als Wohngemeinschaft eingezogen. Mittlerweile bin ich alleine in der Wohnung. Als wir damals hierher sind, war das keine typische WG-Gegend. Aber es gab diese große Wohnung, die war günstig, sie hatte Zentralheizung und keine Kohleöfen. Nach und nach sind dann weitere Wohngemeinschaften eingezogen.
Ich mag den Ku’damm sehr. Natürlich ist der untere Ku’damm prächtiger, die Seitenstraßen mit ihren kleinen Geschäften verleihen ihm die richtige Mischung, das ist bei uns nicht ganz so. Ab dem Adenauerplatz wird er etwas einfacher. Auf der anderen Seite ist am oberem Ku’damm der Grunewald nahe.
Nach der Wende haben Freunde von mir gesagt: Das wird hier jetzt die Rentnermeile. Da bist du jetzt ganz richtig. Es sind tatsächlich einige Seniorenresidenzen entstanden. Viele sind auch weg von hier und nach Mitte gezogen. Mir ging das nicht so, ich mochte auch das Provinzielle, das es hier immer gegeben hat. Der Ku’damm war ja immer beides, offen und provinziell. Vielleicht stand in der Nachwendezeit das Provinzielle etwas stärker im Vordergrund. Dass der Ku’damm völlig abgemeldet ist, habe ich nie so wahrgenommen. Im Gegenteil: Er ist wieder richtig im Kommen. Heute sehen es doch alle: Der Osten, die Friedrichstraße, kann es mit dem Ku’damm nicht aufnehmen.
Im Mikrokosmos unseres Hauses sehen die Veränderungen so aus: Früher gab es entweder ganz große Wohnungen, in die auch die Wohngemeinschaften gezogen sind. Dann gab es einzelne Zimmer, die vermietet wurden. Da wohnten ein junger Mann aus Marokko und ältere Herrschaften. Heute bin ich die Einzige, die im Haus wohnt. Der Rest sind Büros. Aber Leben ist hier immer noch. In meiner Wohnung ist viel Platz, da kommen die Leute zum Essen und zum Feiern.“ PROTOKOLL: WERA