: Familie M. feiert Verlobung
RECHTSSTAAT Mit Pomp und geklauten Kleidern beging ein krimineller kurdisch-libanesischer Clan ein Familienfest. Die Polizei kam, sah nach – und rückte wieder ab
VON KLAUS WOLSCHNER
Diana B. will eigentlich nicht mehr als Fingernägel kunstvoll verschönern und Brautmoden verkaufen. Das ist ihr Geschäft. Unversehens ist sie in eine Geschichte hineingeraten, die politisch zu werden droht: In der kommenden Sitzung der Innendeputation muss der Innensenator eine lange Liste von Fragen zu ihrem Fall beantworten.
Um die Geschichte zu verstehen, muss man die Vorgeschichte kennen. Im Dezember war in das Brautmodengeschäft eingebrochen worden. Eine Polizeistreife hatte die zerbrochene Fensterscheibe entdeckt, die Beamten sahen sich in dem Laden um. „Der Dieb saß derweil auf der Toilette und hat meine Kekse gegessen“. Die Geschäftsfrau lacht bitter. Die Polizei habe das nicht bemerkt, die eingetretene Scheibe verklebt und sei weggefahren. Bei einer weiteren Runde um den Block am Bahnhof entdeckten die Polizeibeamten einen verdächtigen Mann, kontrollierten ihn – und fanden Schmuck und Brautmoden in seinem Rucksack. „Was ist dem Dieb passiert? Nichts“, sagt Diana B. erbost – wenige Tage später sei er an ihrem Laden vorbeigekommen und habe Drohungen gegen sie ausgestoßen. Von einer Bestrafung hat sie nichts gehört.
Anfang Juli gab es wieder einen Einbruch, ein langes Abendkleid, ein teures Hochzeitskleid und Schmuck wurden geklaut. Zwei Tage vor dem Einbruch, so erinnert sich Diana B., hatten sich zwei Frauen ausgerechnet für diese Kleider interessiert und nichts gekauft. Türkische Frauen, wie sie sagt, wenn sie die Herkunft: Vorderer Orient meint. Und ein Mann habe am Eingang gewartet. „Ich wollte meine Sachen wiederhaben, was sollte ich tun?“, erzählt die Geschäftsfrau. Das Brautkleid war ihr besonders wichtig. Die Polizei mache nach ihrer Erfahrung aber nur das Notwendigste, damit die Versicherung zahlt. Also informierte sie sich über „türkische“ Hochzeitsfeiern, fand vier Termine, und beschloss, sich dort einmal umzusehen.
Die erste Feier, ein kurdisch-libanesisches Familienfest in der Baumstraße mit rund 150 BesucherInnen, war gleich ein Treffer. „Da liefen mehrere Frauen herum mit meinem Schmuck und mit meinen Kleidern“, sagt sie. Eine, die als „Kundin“ in ihrem Laden gewesen war, wollte gerade wegfahren – „die hatte mich erkannt und wollte abhauen“.
Diana B. sprach sie an, fragte, woher sie das Kleid habe, und als sie eine faule Ausrede bekam, sagte sie der Frau ins Gesicht, dass es geklaut sei. Ein Wortwechsel entbrannte, es wurde laut, plötzlich trat ein Mann hinzu und schlug sie. Die Geschäftsfrau forderte ihre Mitarbeiterin auf, die Polizei zu alarmieren. Die kommt auch, mit acht Streifenwagen und Spürhunden. Polizisten betreten den Kulturverein, wo die Verlobungsfeier stattfand, nach „wenigen Sekunden“ kommen sie wieder heraus, schildert Diana B. Sie macht Fotos, um beweisen zu können, dass da ihr Schmuck und ihre Kleider getragen wurden. Es wird wieder hitzig. „Ein Beamter sagte mir, ich dürfe die Persönlichkeitsrechte dieser Menschen nicht verletzen.“ Sie muss die Fotos löschen – was sie tat, bis auf eines. Die Polizisten nehmen ihre Personalien auf – vor den Augen der Verlobungsfeier-Gäste. „Alle konnten mithören“, sagt sie. Ein Mann des Clans fragt die Geschäftsfrau, ob sie wisse, mit wem sie es zu tun habe und – vor den Augen der Polizei: „Ich erschieß’ Dich, brenne Deinen Laden ab. Ich weiß jetzt auch wo Du wohnst.“ Die Geschäftsfrau sagt zu einem der Beamten, sie wolle Anzeige erstatten. Der erklärt ihr, sie solle am Montag zur Wache gehen.
Bis Montagabend hört die Geschäftsfrau nichts mehr von der Polizei. Da steht der Vorfall in der Bild-Zeitung. „Am Dienstag waren sie dann da, volle Bude“, sagt die Geschäftsfrau lachend. Plötzlich fängt die Polizei an, zu ermitteln, Fragen zu stellen. Ihr Fotoapparat wird beschlagnahmt, um die Beweisfotos zu retten.
Die Polizei habe nicht gewusst, dass es um Diebstahl von Kleidung ging, sondern sei von einer Massenschlägerei ausgegangen – und abgerückt, als sie dort nur zwei Frauen vorfand, die sich um ein Abendkleid stritten, erklärt die Polizei. Diana B. dazu: „Ausrede. Ich habe den Polizisten genau erklärt, worum es geht, ich habe ihnen ja auch die Fotos gezeigt, die ich dann aber löschen musste.“ Innensenator Ulrich Mäurer räumt ein, dass die Beamten „im Tumult unter 150 Feier-Teilnehmern den einen oder anderen Fehler gemacht haben könnten“, aber „zu unterstellen, dass sie vor den Mitgliedern der Familie M. zurückgewichen sind, ist haltlos, infam und schadet dem Ansehen des Rechtsstaats.“