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Archiv-Artikel

öl und aufschwung Der Preis der Angst

So sicher, wie irgendwann im Frühling die Obstbäume zu blühen anfangen, korrigieren um diese Jahreszeit die Wirtschaftsforscher ihre Prognosen nach unten. So auch in den letzten Wochen. Schuld daran soll unter anderem der Ölpreis sein, der gestern einen neuen Rekord von über 60 Dollar pro Barrel erreichte. Das mag zunächst einleuchten: Noch vor fünf Jahren galt schon die 30-Dollar-Marke als so bedrohlich, dass die Bundesregierung höhere Heizkosten durch Steuererleichterungen abfedern zu müssen glaubte. Und auch die damals beschworene Obergrenze von zwei Mark beim Benzinpreis ist längst überschritten, der Liter kostet zurzeit fast 1,18 Euro, zwei Mark sechsunddreißig in alter Währung.

KOMMENTARVON KATHARINA KOUFEN

Doch der Einfluss des Ölpreises auf die Wirtschaft wird überbewertet. Das zeigt sich schon daran, dass in den USA die Wirtschaft im letzten Jahr mit viereinhalb Prozent kräftig gewachsen ist – dreimal so stark wie in Deutschland.

Dabei müsste der teure Treibstoff die amerikanische Konjunktur stärker bremsen als die deutsche: Erstens sind die USA besonders abhängig vom Öl. Sie haben den höchsten Pro-Kopf-Verbrauch weltweit und müssen mehr als die Hälfte ihres Bedarfs im Ausland einkaufen. Zweitens zahlen die amerikanischen Importeure einen vergleichsweise höheren Preis als die deutschen. In Europa hat man den Vorteil, dass in Dollar abgerechnet wird, und der ist für die Euroländer derzeit billig. Hinzu kommt, dass der Ölpreis in den Siebzigerjahren schon einmal um gut ein Drittel höher lag, geht man vom damaligen Lebenshaltungskosten-Niveau aus. Entgegen allen Untergangsszenarien hat sich die deutsche Wirtschaft danach berappelt. Und: Heute ist die Volkswirtschaft insgesamt weniger abhängig vom Öl.

Wenn die gestiegenen Ölpreise die Konjunktur doch irgendwann gefährden, dann zunächst nicht durch teuren Sprit und hohe Heizkosten. Der Schock an der Tankstelle kann bisher noch durch Niedrigstpreise in anderen Bereichen ausgeglichen werden, etwa bei Lebensmitteln, Haushaltsgeräten oder Billigflügen. Gefährlich ist vielmehr die Angst vor den Folgen hoher Ölpreise, die von Ökonomen und Politikern geschürt wird. Zu den Sorgen um Arbeitsplatz und Rente kommt damit eine weitere Sorge dazu, die das Konsumklima belastet. Bekanntlich ist das der Faktor, der einen Wirtschaftsaufschwung besonders heftig bedroht.

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