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Archiv-Artikel

Bonner proben ihren Haushalt

Die Bundesstadt wagt mehr Demokratie: Ab heute laufen Informationsveranstaltungen für einen Bürgerhaushalt. Doch die Entscheidung über die Mittelvergabe trifft letztlich weiterhin der Stadtrat

VON MARTIN OCHMANN

Künftig sollen die Bürger der Stadt Bonn bei der Aufstellung des städtischen Haushalts mitreden können. Die Einwohner des Stadtbezirks Bonn sind heute Abend erstmals aufgerufen, sich im Rahmen einer Bürgerversammlung aktiv an der Aufstellung eines Bürgerhaushaltes für das Haushaltsjahr 2005 zu beteiligen. In den nächsten Tagen folgen dann Bürgerversammlungen in den Stadtteilen Hardtberg, Bad Godesberg und Beuel.

Ziel des Bürgerhaushaltes ist es in erster Linie, die städtische Finanzwirtschaft transparenter und verständlicher zu machen. Denn nicht nur für Laien, auch für viele Ratsmitglieder sind die vielen tausend Posten des acht Kilogramm schweren Haushaltsentwurf 2005 nicht zu überblicken. „Dies ist ein erster Schritt in die Richtung, dass der Bürger den Haushalt versteht“, so Carsten Buschmann von der Kämmerei. Schon seit Mitte März liegen an allen städtischen Informationsstellen kostenlose Broschüren aus, in denen die Höhe des Haushaltsvolumens sowie Herkunft und Verwendung des Geldes erläutert werden.

Diese Informationen sollen bei den Versammlungen vertieft, und den Bürgerinnen und Bürgern zuerst einmal Grundlagen über die Entstehung eines Haushaltsplanes vermittelt werden. Verständlich soll dabei unter anderem die Einnahme- und Ausgabesituation dargelegt werden. Darüber hinaus sind die Bürger aufgerufen, zur aktuellen Haushaltsaufstellung ihre Meinung zu äußern und ihre Einwände und Anregungen vorzubringen.

Bei den Bürgerversammlungen werden die Oberbürgermeisterin Bärbel Dieckmann sowie der Stadtkämmerer Ludger Sander und die Vertreter weiterer Verwaltungsbereiche Rede und Antwort stehen. Dass die Bürger jedoch konkret über Haushaltsposten abstimmen, wie dies in einigen nordrhein-westfälischen Kommunen wie Hamm möglich ist, wo man schon seit einigen Jahren mit dem Pilotprojekt „Bürgerhaushalt“ Erfahrungen sammelt, das „haben wir in diesem Stadium nicht vor“, sagt Buschmann.

Ob dies in Zukunft der Fall sein wird, dazu kann er allerdings keine Aussage machen. Es gebe „sicherlich Gedanken in diese Richtung“. Nach Meinung des Verwaltungsangestellten hängt dies auch von der Frage ab, welchen Rückhalt das Projekt „Bürgerhaushalt“ findet. Von den Bürgern wünscht sich die Verwaltung ein hohes Engagement und verspricht sich von transparenter Haushaltsplanung auch ein größeres Interesse seitens der Bürger.

Nicht zuletzt erhofft sich die Stadt eine breitere Akzeptanz für künftige unliebsame Entscheidungen. „Einsparungen sind dadurch gegebenenfalls leichter durchzusetzen“, mutmaßt Buschmann. Denn während der Haushalt 2005 ausgeglichen ist, sieht die Situation für 2006 „ganz anders aus“. Für das kommende Jahr rechnet die Kämmerei mit einem Defizit von 226 Millionen Euro. „Aufgrund der kritischen Situation sind Einsparungen ein weiteres Ziel des Bürgerhaushalts“, sagt der Finanzexperte. Gute Erfahrungen mit dem „partizipativen Sparen“ machte man bislang im brasilianischen Porto Alegre, wo die Idee des Bürgerhaushalts geboren wurde. Bis zu 30 Prozent will die Stadt bei einzelnen Projekten dank der Bürgerbeteiligung gespart haben.

In Deutschland beteiligen sich seit November 2000 sieben nordrhein-westfälische Städte, darunter Düsseldorf und Münster, am „Projekt Bürgerhaushalt“, das vom Innenministerium und der Bertelsmann Stiftung ins Leben gerufen wurde.