: Ein Mann sieht orange
Jörg Haider nimmt Abstand von seiner FPÖ und ihrem „Corporate Design“, der Farbe Blau. Für seinen politischen Neustart setzt er lieber auf Orange, denn die Modefarbe ist das sympathischere Rot
von Clemens Niedenthal
Neulich im Privatfernsehen. Eine Typberatung in einer dieser Sendungen, die sich das oberflächliche Werkeln am Ich zum Thema gemacht haben. Orange könne wirklich jeder tragen, meinte da die Stilberaterin, die im Stilberaten tatsächlich ausgeblidet worden war. Mit Blau sei das schon komplizierter. Blau müsse „mit dem eigenen Typ wirklich korrespondieren. Blau steht längst nicht jedem.“
Jörg Haider trug in der Vergangenheit gerne Blau. Als Bluejeans beim Prominieren am Wörthersee. Als perfekt geschnittener Anzug beim mehr oder minder glücklichen Profilieren auf dem politischen Parkett. Jörg Haider trug das Blau sogar bis in die österreichische Regierungskoalition – blau war die Farbe seiner Partei.
Von Blau zu Gelb …
Seit vorgestern nun ist der Freiheitsliebende kein Freiheitlicher mehr. Was die Farbenlehre angeht, hatte er sich schon im vergangenen Wahlkampf von der FPÖ entfernt. Als Kärntner Landeshauptmann wurde vor vier Wochen ein sonnengelber Jörg Haider im Amt bestätigt. Schon damals verzichteten seine PR-Berater auf das „Corporate Design“ einer Partei, von der sich der Populärkonservative bereits zu diesem Zeitpunkt innerlich längst verabschiedet hatte. Haider gewann die Landeswahlen als das, was er so häufig war, nämlich eine politische Ich-AG. Künftig wird er Kärten wohl mit seinem neuen „Bündnis für Österreich“ regieren.
… von Gelb zu Orange
Es ist ein Bündnis in Orange. Die Farbe, die jeder tragen kann. Und die momentan und sowieso auch jeder trägt. Ausgenommen von Autos vielleicht, aber die verkaufen sich ja derzeit ohnehin eher mau. Orange wurde im Juli 2001 zum neuen Lack des Zweiten Deutschen Fernsehens. Gedacht als peppige Retusche an einer alten Karre mit einem Zielpublikum, das wohl besser mit Beige umschrieben wäre. Orange präsentiert sich der binationale Kultursender Arte, wie Orange in der gegenwärtigen ökonomischen Krise überhaupt zum bestimmenden Farbton von Kulturproduktionen geworden ist. Buchumschläge, Filmplakate, Ausstellungskonzeptionen. Orange ist das sympathischere Rot, die Farbe mit dem Lustfaktor, „der emotionalen Dimension“, wie es sogar der damalige CDU-Generalsekretär Laurenz Meyer bemerkt hatte.
Denn vor allem hat sich ja das Politische des eigentlichen Mischtons bedient – und wäre nicht eine links-liberale Koalition, ein rot-gelbes Bündnis, auch irgendwie orange? Nicht ohne Grund war Orange ja auch die Leitfärbung der Siebziger, jener großen Pop-Epoche, in der der gesellschaftliche Mainstream neu sortiert worden ist. Und in der das vormals Subversiv-Symbolische – die Haare, die Musik, die Wohn- und die Lebensweisen – in einen nun modischen Kanon integriert wurde.
Vor allem dafür steht, zumindest in den zentraleuropäischen Warendemokratien, die Farbe Orange: für Klappräder, Tastentelefone, Luftmatratzen und Badehosen. Und für eine sinnfreie Limonadenwerbung. „Sind wir nicht alle ein bisschen Bluna?“
Seit ziemlich genau einem Jahr überdeckt ein knalliges Orange auch das triste Schwarz der CDU: Ole von Beust wurde in Hamburg zum orangenen Regierungschef. Und Parteivorsitzende Angela Merkel war es, die im vergangenen November eine Orange auf ihrer Parlamentsbank platzierte. Was solidarisch gemeint war, erlebte Europa doch gerade eine „orangene Revolution“.
Die textilen Zeugen jenes demokratischen Aufbruchs in der Ukraine, orangene Schals, Schweißbänder oder Haarschleifen, werden inzwischen bei Ebay versteigert. Devotionalien wie weiland die Brocken aus einer Mauer in Berlin.
Die Farbe der Oberfläche
Letztlich scheint Orange demnach so etwas wie das neue Weiß. Eine reine, absolut leere Projektionsfläche, von diesem oder nun eben jenem mit beliebigen Bedeutungen zu füllen.
Orange ist die substanzloseste aller Farben, die pure Oberfläche. Auf dieser aber verstand es Jörg Haider, der Feschist, schon oft zu surfen. Wie auf den Wogen des Wörthersees.