: Bewährungsstrafen für Neonazis
Erste Urteile in Münchner Neonazi-Verfahren um verhinderten Bombenanschlag. Parallelverfahren gegen „Kameradschaft Süd“-Rädelsführer Martin Wiese
MÜNCHEN taz ■ Vier frühere Mitglieder der Münchner Neonazi-Gruppe „Kameradschaft Süd“ sowie ein Waffenlieferant der Rechtsextremisten sind zu Haftstrafen von 16 bis 20 Monaten auf Bewährung verurteilt worden. Damit blieb das Bayerische Oberste Landesgericht gestern unter den Anträgen der Bundesanwaltschaft, die Strafen zwischen 24 und 30 Monaten Gefängnis gefordert hatte.
Die Angeklagten, darunter drei Frauen, waren laut Urteil Mitglieder einer terroristischen Vereinigung, die sich zum Ziel gesetzt hatte, „eine blutige Revolution“ mit Waffengewalt durchzusetzen und eine Diktatur nach Vorbild des Nazi-Regimes zu errichten. Lediglich der 38-jährige Andreas J. aus Brandenburg gilt nicht als Mitglied der „Kameradschaft Süd“, er hatte den Münchner Neonazis aber mehrere scharfe Pistolen und über 1,2 Kilogramm TNT besorgt. Damit wollten die Neonazis offenbar einen Bombenanschlag auf die Grundsteinlegung des neuen jüdischen Gemeindezentrums im November 2003 durchführen. Konkrete Vorbereitungen existierten aber nicht, als der Sprengstoff im September 2003 von der Polizei entdeckt wurde.
Wegen des geplanten Anschlags stehen in einem Parallelverfahren der Anführer der Kameradschaft, Martin Wiese, sowie drei weitere Gruppenmitglieder vor Gericht. Bei den gestern Verurteilten handelte es sich nach Meinung der Bundesanwaltschaft eher um Mitläufer innerhalb des Führungszirkels der „Kameradschaft Süd“. Dennoch bescheinigte das Gericht allen Angeklagten bis auf Andreas J., vom Anschlag gewusst und den Tod vieler Menschen in Kauf genommen zu haben. Die damals 17-jährige Monika St. hatte sich im Sommer 2003 sogar zu einem Selbstmordattentat auf dem Münchner Marienplatz bereit erklärt. Die höchste Strafe, 20 Monate auf Bewährung, erhielt Ramona Sch. (20). Sie war dabei, als Sprengstoff und Waffen nach München transportiert wurden, zeitweilig hatte sie das TNT in ihrer Wohnung versteckt.
Das niedrige Strafmaß begründete der Richter mit der Jugend der Angeklagten, zudem seien sie geständig gewesen, hätten sich von der rechten Szene losgesagt und im Prozess gegen Wiese und die Rädelsführer ausgesagt. JÖRG SCHALLENBERG
Links lesen, Rechts bekämpfen
Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen