: Wahl mit Tücken
Die Sozialwahlen stehen an – nur kaum einer weiß, worum es dabei geht und warum das so wichtig sein soll. Fragen an einen Kandidaten
bremen taz ■ Alle sechs Jahre ist Sozialwahl – so auch 2005. 46 Millionen Versicherte sind aufgefordert, die Selbstverwaltungsgremien der Ersatzkassen und der BfA zu wählen, das sind Mitgliederparlamente, die über alle Grundsatzfragen bestimmen. Dies sei die „zweitwichtigste Wahl nach der Bundestagswahl“, so der Bundeswahlbeauftragte Hans-Eberhard Urbaniak. Nur: Das weiß offenbar keiner. Viele der antretenden Listen sind unbekannt, die Wahlbeteiligung ist entsprechend. Beim letzten Mal lag sie bei 38 Prozent. Der Bremer Herbert Henke (Foto) kandidiert für die Gewerkschaft ver.di für den TK-Verwaltungsrat, das Parlament der Techniker Krankenkasse (TK), dem er in der ablaufenden Wahlperiode schon angehört hat. Das 30-köpfige Gremium tagt viermal im Jahr. Herbert Henke erklärt, warum es so schwer ist, dessen Arbeit nach außen zu vermitteln.
taz: Man hört so wenig von Ihnen und Ihren Kollegen in den Parlamenten der Krankenkassen – warum?Herbert Henke: Weil es vor allem um kasseninterne Dinge geht. Wir beraten und beschließen die Satzung, alle Modellvorhaben und den Haushalt. Es gibt einen öffentlichen Teil, über den berichtet wird – aber das Interesse ist offenbar gering.
Sieben Listen kandidieren bei der TK – deren Vorstellung in der TK-Broschüre klingen alle ziemlich ähnlich.
Das war ja nur die erste Vorstellungsrunde, es folgen weitere und die werden differenzierter sein. Eines aber bindet uns alle: Wir sollen die Interessen der Versicherten vertreten – es geht um stabile Beitragssätze, gute Betreuung, Umbau hin zu noch mehr Service. Oft gibt es gemeinsame Positionen. Aber in dem Wie gibt es Unterschiede. Ich als Gewerkschafter erwarte, dass die Umsetzung gemeinsam mit den Beschäftigten passiert. Das sehen nicht alle Fraktionen so.
Die Kandidaten sind dem Versicherten so gut wie unbekannt. Wie soll man da wählen?Die Versicherten, das zeigt die Erfahrung, wählen vor allem nach dem Namen der Liste: Wenn da das Wort „Techniker“ vorkommt, wird sie öfter gewählt als zum Beispiel die Gewerkschaftslisten. Nach Inhalt geht es weniger.
Das ist doch fatal.Man streitet sich im Verwaltungsrat eben nicht so, wie das in der Politik stattfindet.
Vorteil oder Nachteil?Schwer zu sagen. Wenn wir uns öffentlich streiten würden, würde die Wahlbeteiligung sicher steigen. Aber ich versuche mir gerade vorzustellen, wie das gehen soll. Würde ein Fernsehsender sich dafür interessieren, wenn sich Liste 1 mit Liste 2 oder 3 über ein TK-relevantes Thema stritte? Ich glaube nicht. Das einzige Forum, das die Unterschiede deutlich macht, sind die Verwaltungsratssitzungen. Öffentlichkeit für uns als ver.di-Liste bei der TK ist das, was die Gewerkschaft im Bereich der Gesundheitspolitik öffentlich macht.
Die geringe Wahlbeteiligung stellt doch die Legitimation in Frage – ist das Thema im Verwaltungsrat?Aber ja. Wir haben überlegt, wie wir damit umgehen und gehen verstärkt in die Öffentlichkeit, im Internet, in den TK-Publikationen und auch in Gesprächen mit den ehrenamtlichen Mitarbeitern, die das wiederum weiter transportieren sollen. Die vier großen Ersatzkassen und die BfA haben außerdem eine gemeinsame Medienkampagne gestartet.
Warum war bisher das Interesse an der Wahl so gering?Die Wahlbeteiligung ist ein Abbild des Interesses an den sozialen Sicherungssystemen. Ich glaube und hoffe, dass nach dem Jahr 2004, das viel Negatives gebracht hat, die Wahlbeteiligung sehr viel höher liegt. Dafür braucht es ja immer Anlässe – 2004 war Anlass genug. Es kann uns allen nicht egal sein, was im Gesundheitswesen passiert.
Interview: Susanne Gieffers