IM NACHTBUS : Wer zahlt, schafft an
Der Bus ist voll um vier Uhr morgens. Die meisten sind Partyleichen. Nur eine Frau sieht sehr müde und sehr nüchtern aus und duftet nach Seife. Ein Pärchen steigt ein, Anfang zwanzig, aufstrebend, dynamisch und kunstvoll auf arm gestylt. Sie laufen am Fahrer vorbei und setzen sich. Müde ruft der Fahrer: „Die Fahrausweise, bitte!“ Das Pärchen macht keine Anstalten, sich zu bewegen.
Die frisch gewaschene Frau dreht sich um: „Hier müssen Leute zur Arbeit! Ick verpass meinen Anschluss!“ Der Fahrer meldet sich über Lautsprecher: „Es gibt genau drei Möglichkeiten. Entweder Sie zeigen mir Ihren Fahrausweis, oder Sie lösen eine Fahrkarte, oder Sie verlassen den Bus.“ Die beiden kommen nach vorne. „Aber ich habe doch eine Umweltkarte“, sagt der Junge, „da kann sie doch mitfahren.“ – „Ja“, sagt der Busfahrer, „zwischen 20 und 3 Uhr können zwei Erwachsene auf eine Umweltkarte fahren.“ – „Jetzt sei doch nicht so“, sagt der Junge, „es ist doch erst zehn nach vier.“ – „Genau“, sagt der Busfahrer, „2 Euro 30, bitte! Nebenbei kann ich mich nich erinnern, Ihnen das ‚Du‘ angeboten zu haben.“ – „Ich habe doch ein Studententicket!“, schaltet sich nun das Mädchen ein. „Na, dann zeigen Se dit doch her!“, sagt der Fahrer. „Ich hab es ja nicht dabei“, sagt das Mädchen. „Wenn Sie keinen gültigen Fahrausweis vorzeigen können, dann müssen Sie einen Fahrschein lösen, sonst darf ich Sie nicht befördern“, sagt der Busfahrer beeindruckend ruhig. Endlich ersteht der Junge einen Fahrschein. Alle fahren bis zur Endstation, das Pärchen, die Frau, die zur Arbeit muss, der Busfahrer und ich. „Klasse!“, ruft die Frau, „mein Bus is weg. Jetz kann ick loofen!“ Der Junge läuft nach vorne zum Fahrer: „Finden Sie das in Ordnung?“, fragt er den dreißig Jahre Älteren. „Sie haben mich gerade gezwungen, hier doppelt zu bezahlen. Ich zahle Steuern! Das wird ein Nachspiel haben!“
LEA STREISAND