: Paarbildende Maßnahmen
In der Popmusik geht es nicht selten um die Zweisamkeit, an der man sich gerade freut, die man anstrebt oder die erst gestern Abend zerbrochen ist, wieso es umso mehr Grund gibt, dieses Leid gleich wieder mitzuteilen, zum Trost der anderen da draußen in der Welt, die auch einsam an ihren Abendbrottischen sitzen. Was sollte man in so einer Situation schon groß anderes tun, als Popmusik zu hören mit ihren Liedern von der Zweisamkeit, die im Pop in besonderen Fällen manchmal sogar dazu auf der Bühne und in den Liedern vorgelebt wird, singend. Im Duo. Man erinnert sich vielleicht noch an Sonny & Cher, an Ike & Tina Turner oder Cindy & Bert. Wobei das Paar in der Popmusik allerdings zu einer bedrohten Gattung zu gehören scheint.
Die Zahlen:
Im Jahr 1972 kam es bei der ZDF-Hitparade zu insgesamt 19 Paar-Auftritten, jetzt einmal nur die klassischen Frau/Mann-Konstellationen gerechnet, 1975 trat durchs Jahr 16 mal ein Paar an, 1978 noch fünfmal und 1980 wurden lediglich drei Paare bei der ZDF-Hitparade gezählt. Die Kurve weist deutlich nach unten. Das muss etwas zu bedeuten haben. So scheint sich doch wieder einmal der Pop als Seismograph gesellschaftlicher Prozesse zu bestätigen. Gerade im Schlager als besonders getreuliches Abbild von Trends. Dass man sich eben immer weniger in Langzeitbeziehungen binden wollte. Und das auch weiterhin nicht will, so wie sich das im Popgeschäft spiegelt, in dem sich heute bei den Duos doch bestenfalls noch Lebensabschnittsgefährtenschaften finden lassen. Kurze Techtelmechtel für ein Lied wie etwa zuletzt Tony Bennett mit Amy Winehouse bei „Body And Soul“ oder Rihanna feat. Calvin Harris mit „We Found Love“.
Jetzt könnte man natürlich einwenden, dass es doch weiterhin eine Menge an durchaus langjährigen und erfolgreichen Paarbeziehungen gibt im deutschen Pop. 2raumwohnung, Ich + Ich, Rosenstolz. Aber die kommen ja allesamt hier aus Berlin. Und damit der Stadt, in der man so stolz auf das anders sein ist. Queer sozusagen. Immer gegen die Norm. Das Paar wird so zu einer besonders liberalen Wendung in einer Stadt, in der alle gerade so dürfen wie sie mögen.
Und natürlich hatte auch die DDR ihre Paare. Sandra Mo & Jan Gregor etwa, Hauff und Henkler und ganz besonders Chris und Frank, das Traumpaar der ostdeutschen Unterhaltungsbranche Ende der Sechziger, Anfang der Siebziger Jahre. Sind jetzt auch wieder zusammen, für Konzerte wenigstens. Heute abend singen die beiden, Chris Doerk und Frank Schöbel, im Nikolaisaal Potsdam. THOMAS MAUCH
■ Chris & Frank: Nikolaisaal Potsdam, Fr, 18 Uhr. 22–30 €