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: Clement orientierte Hartz IV an den Briten – geklappt hat es nicht

100 Tage ist die Reform zu Hartz IV in Kraft, und nach und nach schält sich heraus, welche gravierenden Fehler dabei gemacht wurden. Fehler, bei denen es nicht mal um die Gerechtigkeitsfrage geht, sondern um Mängel, die den von Bundeswirtschaftsminister Clement (SPD) gewollten Effekt einer Belebung von Wirtschaft und Jobmarkt zunichte machen.

Ein Fehler bestand darin, die Folgen der erweiterten Jobstatistik zu unterschätzen. Dass eine Reform, die ja irgendwie auch so etwas wie Aufbruchstimmung verbreiten soll, aus dem Stand mehr Arbeitslose registriert, ist widersinnig. Mit der Reform wollte Clement das britische Beispiel der workfare kopieren. Nur: In Großbritannien werden die Arbeitslosen anders gezählt als bei uns, nämlich danach, wie aktiv sie ihre Jobsuche gestalten.

Mit dem deutschen Registrierungsverfahren jedoch hat Clement nun gesundheitlich Eingeschränkte in der Statistik, die sich da nicht mehr herausbewegen werden. Mühsam versuchen die Vermittler vor Ort derzeit die Arbeitslosen in „Marktkunden“, „Beratungskunden“ und „Betreuungskunden“ zu unterteilen. Wie die „Eingliederungspläne“ für die schwerst vermittelbaren „Betreuungskunden“ aussehen werden, darauf darf man gespannt sein.

Hartz IV hat noch eine weitere Nebenwirkung, von den Machern im Dezember 2003 wohl nicht geahnt: Die Reform entwickelte sich zum Synonym für die Absturzangst der Mittelschichtler. Die Reformen drücken daher den Konsum und schwächen die Wirtschaft, anstatt dieser einen Schub zu geben.

Auch dies war in Großbritannien mit Einführung der workfare-Programme anders: Die Briten hatten damals schon eine Margaret Thatcher hinter sich und waren knappe Sozialleistungen und einen harten Arbeitsmarkt gewöhnt. Das Konsumverhalten war deshalb auch in Großbritannien in den vergangenen Jahren relativ ungetrübt. Bei den Deutschen jedoch trug Hartz IV zur allgemeinen Untergangsstimmung bei. Der von Bundeskanzler Schröder vielbeschworene positive Effekt der teuren Steuerreform auf das Konsumverhalten ist demgegenüber gar nicht erst eingetreten.

Der modisch gewordene internationale Vergleich bei der Arbeitsmarktpolitik hilft also wenig, auch das dürfte Clement inzwischen aufgefallen sein. Nur dass die Leidtragenden des Hartz-IV-Experiments nicht dessen Macher sind – sondern die Arbeitslosen. BARBARA DRIBBUSCH

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