: Illusorische Vorstellungen
betr.: „Braucht die Kirche Reformen?“, taz vom 5. 4. 05
Über die Reformfähigkeit der katholischen Kirche bestehen wohl viele illusorische Vorstellungen. Sie ist aber sehr begrenzt. Das hat auch der verstorbene Papst deutlich gemacht.
Zum Beispiel: das Zölibat. Es bedeutet letztlich allumfassende körperliche Unterwerfung sowie geistige Bindung und Knechtung des katholischen Priesterstandes an die zentralistische Amtskirche in Rom. Anders kann dieser Apparat aber gar nicht existieren. Das Besondere an der römisch-katholischen Kirche ist ihr Anspruch auf weltweite Ausdehnung bei gleichzeitiger Existenz eines einzigen geistigen und organisatorischen Machtzentrums. Ich weiß von Martin Luther zu wenig, um zu sagen, dass er und seine Anhänger das Zölibat in der evangelisch-protestantischen Kirche bewusst aufgehoben haben, um diese Machtstruktur wirksam aufzulösen, aber in der Folge war es so. Logische Konsequenz war dann auch im weiteren geschichtlichen Ablauf, dass Frauen zum Priesteramt zugelassen wurden. Gleichberechtigung war überhaupt erst so in dieser Kirche durchsetzbar. Vielleicht sind gerade Frauen auch nicht so geeignet für das zentralistische Priestermodell der katholischen Kirche, vielleicht sind sie dieser Kirche zu eigensinnig. Vielleicht soll der jungfräuliche Marienkult ein Ventil für diese Engstirnigkeit sein.
Was die Antworten auf ethische Fragen betrifft, so ist hier gerade für die römisch-katholische Kirche kennzeichnend, dass sie ex cathedra (von oben) vorgeschrieben werden und kaum auf Überzeugungsarbeit beruhen. Das sollten wir nicht vergessen, wenn von teilweise richtigen Antworten auf diese Fragen seitens dieser Kirche die Rede ist. Denn gerade diese undemokratische Methode ist Machtbasis ihres Zentralismus.
Papst Johannes Paul II. hat es sehr wohl verstanden, dies alles durch ein persönliches Flair zu vernebeln. Er ist wohl damit bei Menschen gut angekommen, die emotionsgeladen auf ihre Lebensprobleme reagieren. Das zeigt sich jetzt auch noch deutlich bei seinen Bestattungsfeierlichkeiten. Letztlich aber haben schauspielerische Fähigkeiten keinen historischen Bestand. Wie schnell sind in unserer „kurzlebigen“ Zeit solche Personen wieder in Vergessenheit geraten. SIGURD WÜRGES, Frankfurt am Main