: Heiligsprechen statt heilig sprechen
Die Rechtschreibreform soll nach Vorschlägen des Rates für Deutsche Sprache nochmals überarbeitet werden. Lehrer und Schüler kritisieren dies als Rückschritt
BERLIN taz ■ Der Rat für Deutsche Rechtschreibung hat gestern in München eine teilweise Rückkehr zur alten Rechtschreibung vorgeschlagen. Bisher getrennt geschriebene Wörter wie „heilig sprechen“ oder „voll quatschen“ sollen demnach wieder zusammengeschrieben werden, wenn das entsprechende Wort eine Gesamtbedeutung hat. Endgültige Beschlüsse will der Rat aber erst im Juni fassen. „Wir kommen voran, aber es ist mühsam“, sagte der Ratsvorsitzende Hans Zehetmair (CSU). Ab 1. August gilt in Schulen und Behörden nur noch die erneuerte Rechtschreibung.
Kritik übte die Vorsitzende der Lehrergewerkschaft GEW, Eva-Maria Stange: „Das ist ein Roll-back, der nicht zur Klärung beiträgt, sondern Verwirrung schafft“, sagte sie der taz. Die Reform der Reform sei Ressourcenverschwendung, denn Schulbücher müssten umgeschrieben, der Duden neu aufgelegt und Rechtschreibprogramme geändert werden.
Auch Schüler sind nicht begeistert: „Jede Veränderung bedeutet, dass wir wieder umdenken müssen“, sagte Stephan Ruhland, Vorsitzender der Berliner Landesschülervertretung. Es gebe genug Schüler, die auch so Probleme mit der Rechtschreibung hätten, erklärte der Gymnasiast.
Dagegen frohlockten die Reformgegner. Mit den Änderungen zur Getrennt- und Zusammenschreibung werde die Rechtschreibreform nahezu vollständig zurückgenommen, meinte Theodor Ickler, Mitglied der Arbeitsgruppe, welche die Vorschläge erarbeitet hatte, nach Informationen des Tagesspiegels.
Die Schulbuchverlage werden Änderungen nur sukzessive einbauen, so der Vorsitzende des Verbandes, Gerd-Dietrich Schmidt. „Es ist nicht so, dass jetzt alles umgeschrieben wird“, sagte Schmidt der taz.
Der Rat für Deutsche Rechtschreibung war nach der Kritik an der Rechtschreibreform im vergangenen Jahr von der Kultusministerkonferenz (KMK) eingesetzt worden. Dem Gremium gehören Sprachwissenschaftler und Praktiker an, unter ihnen auch Vertreter aus Österreich und der Schweiz. Letztendlich entscheidet die KMK, welche Vorschläge in den orthografischen Regelkanon übernommen werden. ANNA LEHMANN