Rüttgers‘ Witzischkeit kennt keine Grenzen

Die Unions-Ministerpräsidenten Stoiber, Wulff, Koch und Müller machen Wahlkampf – und lassen den nordrhein-westfälischen CDU-Spitzenkandidaten alt aussehen: Kalauernd will Jürgen Rüttgers in die Düsseldorfer Staatskanzlei

Jürgen Rüttgers steht am Rednerpult, aus den Lautsprechern der Arena Oberhausen dröhnt „The final countdown“. Der 53-Jährige, der am 22. Mai nordrhein-westfälischer Regierungschef werden will, will sprechen – doch wie Wahlkampfregie beschallt die voll besetzte Halle weiter mit den Bombastrocker der Gruppe „Europe“. Rüttgers tritt einen Schritt zurück, wirkt unsicher, geht wieder an‘s Pult, kann endlich reden.

Die Unsicherheit aber bleibt. „Man kommt zur CDU, weil da ist gut“, ruft der Oppositionsführer seinen 8.000 Parteifreunden zu. Gern schaue er auf die aktuellen Umfragen, die Nordrhein-Westfalens Christdemokraten derzeit bei 45 Prozent und mehr sehen. „Das macht Spass.“ Sofort aber folgt die Erinnerung an das Trauma des Jahres 2000, als die Spendenaffäre des Ex-Kanzlers Helmut Kohl Rüttgers‘ sicher geglaubten Sieg zerstörte.

Ganz anders dagegen die Unions-Granden Müller, Wulff, Koch und Stoiber: Die Ministerpräsidenten-Riege, in die Rüttgers bald aufrücken soll, feiert sich selbst für den Ausstieg aus der Schuldenspirale (Wulff), für mehr Investitionen in Forschung und Bildung (Koch). Zwar warnt Stoiber vor Euphorie: „Noch ist nichts gelaufen.“ Doch selbst der Bayer lobt das größte Bundesland – allein die nordrhein-westfälischen Fußballvereine zeigten doch, „was für ein Potenzial dieses Land hat.“ Nordrhein-Westfalens Schwierigkeiten seien ein Problem für ganz Deutschland – Stoiber sorgt sich um die Bundesrepublik als Ganzes, CDU-Bundesparteichefin Angela Merkel guckt genervt.

Rüttgers aber hält sich an seinen bekannten Wahlkampfstanzen fest, klagt über „eine Million Arbeitslose, 110 Millionen Schulden, Unterrichtsausfall und Kriminalität“. Der Rest sind Kalauer. Rot-Grün behindere Investitionen, schütze aber Feldhamster so gut, dass die in‘s Landeswappen gehörten. Überhaupt, die Grünen: Was die von Umweltministerin Bärbel Höhn in Auftrag gegebene Studie zum Thema ‚Gender Foresting‘ solle, fragt der CDU-Landeschef. „Foresting ist die Lehre vom Wald, und Gender ist die Lehre vom Frausein“, sagt Rüttgers und spricht den Begriff betont deutsch aus. „Da wird untersucht, ob Männer und Frauen die gleichen Gefühle haben“ – Rot-Grün habe jeden Bezug zur Realität verloren, dass ist Rüttgers‘ wichtigste Botschaft: „Ich kann Ihnen sagen: Wenn meine Frau und ich früher in den Wald gegangen sind, hatten wir die gleichen Gefühle.“ Die CDU biegt sich vor Lachen – zumindest der männliche Teil.

ANDREAS WYPUTTA

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