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Archiv-Artikel

Kitschiges Happyend

In einer Zitterpartie schlägt Hertha den SC Freiburg mit 3:1. Noch wichtiger als die drei Punkte war aber das Ende einer teaminternen Seifenoper: Nach ihrem Zwist haben sich Kapitän Friedrich und Matchwinner Marcelinho wieder versöhnt

VON ANDREAS RÜTTENAUER

Es war viel Platz im Olympiastadion. Auf den Rängen verloren sich gerade mal 33.000 Zuschauer. Auf dem Spielfeld sah es ähnlich aus: Jede Menge freien Raum zur Entfaltung hatten die Spieler beider Teams. Hertha BSC und der SC Freiburg lieferten sich nicht gerade ein Kampfspiel. Dass die Berliner am Ende mit 3:1 gewonnen haben, lag weniger an ihrer Fußballkunst als am Gegner, der vor allem in der ersten Halbzeit regelmäßig völlig uninspiriert über den Platz irrte.

„Wir haben oftmals unsere Gegenspieler nicht gefunden.“ So beschrieb Freiburgs Trainer Volker Finke den Irrlauf seiner Spieler treffend. Es muss bitter sein für ihn, eine Mannschaft zu trainieren, die sich mit dem Abstieg bereits abgefunden hat. Für die Freiburger geht es nur noch darum, sich einigermaßen anständig aus der Liga zu verabschieden. Zu einem Sieg gegen Hertha reicht so eine Einstellung nicht.

Den Berlinern gelingt es nämlich mittlerweile, genau die unangenehmen Spiele gegen Gegner aus dem unteren Tabellendrittel zu gewinnen, die einfach gewonnen werden müssen, wenn das Ziel die Uefa-Cup-Qualifikation ist. „Wichtig ist erst einmal, dass wir drei Punkte geholt haben“, sagte Hertha-Kapitän Arne Friedrich.

Für ihn war das Spiel aber etwas mehr als ein normales Fußballmatch – genauso wie für Marcelinho. Die beiden schienen von Beginn an alles daran zu setzen, die Seifenoper, die mit ihrer Auseinandersetzung am vergangenen Sonntag begonnen hatte, mit einem kitschigen Happyend zu einem schmalzigen Abschluss zu führen. Zur Erinnerung: Arne Friedrich und Marcelinho waren in Dortmund derart aneinander geraten, dass der Brasilianer am Ende seinem Kapitän sogar eine veritable Ohrfeige verpasst hat. Unter der Woche dann wurden die Streithähne der Presse Arm in Arm als freundschaftlich grinsende Honigkuchenpferde vorgeführt. Beim Spiel gegen Freiburg schließlich beendeten sie ihren Zwist endgültig, indem sie sich nach den beiden Toren von Marcelinho inniglichst herzten.

Doch damit nicht genug. Nach der Partie setzte sich die Seifenoper fort. Marcelinho widmete sein 1:0 seinem Kapitän. Aus über 40 Metern hatte der Brasilianer abgezogen. Der Ball war über den zu weit vor seinem Tor stehenden Gästekeeper Richard Golz hinweggeflogen und senkte sich in die Maschen. „Es war das schönste Tor meiner Karriere“, schwärmte Marcelinho von seinem Treffer. Und ausgerechnet den widmete er Arne Friedrich.

Der hatte sich zuvor schon mit seiner Vorarbeit zum 2:0, das ebenfalls Marcelinho erzielt hat, an der Fortschreibung des Drehbuchs zur Berliner Fußballseifenoper beteiligt. Der Elfmeter, den der Brasilianer verwandelt hat, war nach einem Foul an Friedrich gepfiffen worden.

Nach der großen Versöhnungsshow wollte keiner mehr so recht davon sprechen, wie es den Herthanern passieren konnte, dass sie ein Spiel, das sie dominiert haben, beinahe noch aus der Hand geben mussten. Vielleicht war es der spektakuläre Fehlschuss von Fredi Bobic, der die Freiburger aufgeweckt hat. Nach fünf Monaten wurde der Stürmer erstmals wieder von Anfang an aufs Feld geschickt, und Bobic knüpfte genau da an, wo er seinerzeit aufgehört hatte: beim Vorbeischießen. Kurz nach der Pause verzog er frei stehend. Das Publikum war entsetzt, die Berliner Spieler offenbar auch. Plötzlich tauchten die Gäste regelmäßig vor dem Hertha-Tor auf, konnten sogar den Anschlusstreffer erzielen. Die Berliner hatten einfach aufgehört zu spielen.

„Wenn Fredi das 3:0 macht, sieht das Ganze schon anders aus.“ Niko Kovac, Torschütze des 3:1 in der Schlussminute, drückte sich um eine Analyse des Berliner Leistungseinbruchs in der zweiten Hälfte. Dann wurde der Kroate, der sein viertes Tor in dieser Saison erzielt hat, gefragt, ob er der neue Hertha-Torjäger sei. Kovac musste lachen. Aber auch er wird wissen, dass das viel besungene Sturmproblem bei Hertha BSC wieder zum Thema werden kann – wenn es zum Beispiel gegen Mannschaften geht, die wirklich gewinnen wollen.