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Archiv-Artikel

Spiel und Brote

Prunksters (26) – die wöchentliche Kolumne aus den USA von Henning Kober. Heute: Absturz, nach Berlin

Aus und raus. Die Sonne am frühen Morgen spielt ihren Trick, spiegelt Hollywood herrlich hübsch. An der Ampel hält Joe, der Taxifahrer, eine Quick-Snap über die Schulter. Will plaudern, sammelt Gesichter. Kein Karma, höre auf die Ohren. „Fragt nicht nach neuen alten Werten. Seht weißes Licht, seht nur Gefühl. Das Tun kommt aus dem Sein allein. Allein aus Dimensionen, die Illusionen und Sensationen lohnen“, singt, sagt Falco. Der hat zwei Wochen an vier Sätzen geschrieben. Dann LAX. Am Schalter eine dicke schwarze Mami. Sie sagt nein und ich frage was. Das Gepäck ist zu schwer. Sie schreit, ich schreie, verlange nach dem Supervisor, aber das ist sie. Wie immer, mit Geld ist alles lösbar, leicht. Sie macht Ritsch-Ratsch und ich fahre mit dem Taxi ein paar hundert Meter ins „Encounter“ und trinke ein Brot.

An Bord der Delta, die Wolken fliegen. Links neben mir: eine russische Pam Grier, Stella-Sonnenschutz vor den Augen. Sie scannt einen Stapel Visitenkarten in ihren Palm. Trinkt den dritten Jackie O. Schleudert, als ihr der nächste verweigert wird, an den Steward: „Smart is shit“. Daneben ein schmaler Schlacks im Fiorucci-Pullover, liest Dennis Cooper. Schreibt Sätze auf eine Karte. „Schwimm nicht nach fremden Seelen“. Ich denke, alles ist sehr Spiel und Brote. Manchmal mag ich es. Unten der Grand Canyon. Die Maschine krault durch ein paar Luftkrater. Anschnallen. Die Babys schreien schon. Falco singt: „Der letzte Engel rennt“. Dann geht es nur noch nach unten. Wir fallen, weiter. Becher, Schminke, Brillen fliegen durch die Luft.

Stunden später Stopp in New York. Wenn’s vorbei ist, ist’s vorbei, dann kommt der Ruhm. Im nächsten Leben vielleicht lieber ein Oktopus. Mein Bauch bollert noch betrunken. Tatsächlich sitze ich und schaue „Mommie Dearest“ auf dem iBook. Wahr ist, Kommunikation ist krass kaputt, Schreiben das lautere Sprechen. Die Welt ist nicht Prunkster-Land und ist es doch.

Es ist 2005, und das Jahrzehnt hat immer noch keinen Namen. Vielleicht gut: „Die Teens“. Ganz Berlin wartet auf den Abramovich-Anruf. Über dem Palast der Republik steht „ZWEIFEL“. Aufschwung, Anarchie. Weiter, g’scheiter.