: Dummheit nicht strafbar
Staatsanwälte: NPD-Skandalbegriff „Bomben-Holocaust“ juristisch nicht greifbar. Innenexperten geben Strafverfolgern parteiübergreifend Recht. Gedenken an KZ-Befreiung vor 60 Jahren
BERLIN/WEIMAR dpa/afp/taz ■ Der Begriff „Bomben-Holocaust“ für die alliierte Bombardierung Dresdens im Zweiten Weltkrieg ist nicht strafbar. Die Staatsanwaltschaft Hamburg leitet kein förmliches Verfahren gegen den NPD-Bundesvorsitzenden Udo Voigt ein, sagte Behördensprecher Rüdiger Bagger am Wochenende und bestätigte damit einen Zeitungsbericht.
Vertreter von Politik und Opferverbänden sowie ehemalige Häftlinge haben zur selben Zeit in Weimar der Befreiung der nationalsozialistischen Konzentrationslager vor 60 Jahren gedacht. Anlässlich des Jahrestages des Kriegsendes am 8. Mai riefen die Grünen dazu auf, Neonazis entschlossen entgegenzutreten.
Sprecher Bagger erklärte, man habe allein den strafrechtlichen Aspekt geprüft – nicht den moralischen. Der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Paul Spiegel, kritisierte die Entscheidung: „Moralisch habe ich dafür kein Verständnis.“
Der umstrittene Begriff stand im Mittelpunkt eines Eklats im Sächsischen Landtag im Januar. NPD-Fraktionschef Holger Apfel hatte die Alliierten als „Massenmörder“ bezeichnet und die Angriffe im Februar 1945 einen „Bomben-Holocaust“ genannt.
Volker Beck, Fraktionsgeschäftsführer der Grünen im Bundestag, sagte zur taz: „Im strafrechtlichen Sinne ist diese Entscheidung nicht zu beanstanden, weil die Äußerung nicht strafbar ist.“ Politisch sei die Äußerung zwar verwerflich, mit dem Neonazismus müsse man sich aber gesellschaftlich auseinander setzen. Nach Auffassung des SPD-Innenexperten, Dieter Wiefelspütz, ist die Entscheidung der Strafverfolger „korrekt“. Der Begriff sei dennoch eine „verlogene, geschichtsfälschende Ausbeutung der Opfer“. Unions-Innenexperte Wolfgang Bosbach sagte zur taz: „Ich kann verstehen, dass diese Entscheidung bei den Hinterbliebenen des Naziterrors auf Unverständnis stößt.“ Die Empörung über eine Meinungsäußerung genüge für eine Anklage wegen Volksverhetzung aber im Allgemeinen nicht.
Bundeskanzler Schröder erinnerte bei der zentralen Gedenkfeier in Weimar an die zahllosen Menschen, die in den Lagern „dem systematischen Mord“ zum Opfer fielen.“ wg
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