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Archiv-Artikel

Kannibale kommt in die letzte Instanz

Armin Meiwes verspeiste einen Mann und wurde zu achteinhalb Jahren Haft verurteilt: „Tötung auf Verlangen“. Morgen wird der Staatsanwalt am Bundesgerichtshof auf Mord plädieren. Psychiatrisch behandelt wird Meiwes nicht

FREIBURG taz ■ Es ist einer der bizarrsten Fälle der deutschen Kriminalgeschichte: der so genannte Kannibale von Rotenburg. Morgen entscheidet der Bundesgerichtshof (BGH), ob Armin Meiwes wegen Tötung auf Verlangen, Totschlag oder wegen Mord verurteilt wird.

Im März 2001 hatte der damals 42-jährige Computertechniker Meiwes dem gleichaltrigen Klaus Jürgen B. den Penis abgeschnitten und ihn dann getötet – um das Menschenfleisch des Diplomingenieurs später zu essen. B. war mit der Tat einverstanden. Die beiden homosexuellen Männer hatten über eine Internet-Annonce zueinander gefunden.

Das Landgericht Kassel wertete die Tat im Januar 2004 als Totschlag und verurteilte Meiwes zu achteinhalb Jahren Haft. Meiwes’ Verteidiger hält die Strafe jedoch für zu hart, die Staatsanwaltschaft für zu milde. Beide Seiten gingen in Berufung. Meiwes’ Anwalt Gunter Widmaier will, dass er nur wegen „Tötung auf Verlangen“ bestraft wird. Höchststrafe wären dann fünf Jahre Haft. Widmaier verweist darauf, dass die Penisamputation und die anschließende Tötung ausdrücklicher Wunsch des Opfers war. B. habe sogar selbst auf die Wunde gedrückt und sei in eine gefüllte Badewanne gestiegen, um den Blutabfluss zu beschleunigen. Die Handlung liege näher am Selbstmord als am Totschlag, argumentiert Widmaier.

Generalbundesanwalt Kay Nehm lehnt – wie schon das Kasseler Gericht – eine Verurteilung wegen Tötung auf Verlangen ab. Meiwes seien die Intentionen des Opfers egal gewesen, er habe nur seinen eigenen Wunsch verwirklichen wollen: Schlachtung und Einverleibung eines sympathischen jungen Mannes. Für Anwalt Widmaier sind die unterschiedlichen Wünsche kein Problem. „Jeder von beiden förderte das Ziel des anderen“, sagt der Verteidiger.

Die Kasseler Staatsanwaltschaft versucht mit Unterstützung von Kay Nehm dagegen eine Verurteilung wegen Mord durchzusetzen. Meiwes würde dann zu lebenslanger Haft verurteilt. Der Angeklagte habe aus „niedrigen Beweggründen“ gehandelt, er habe sein Opfer aus ungehemmter, abartig-triebhafter Eigensucht zu einem bloßen Objekt herabgewürdigt. Das Kasseler Gericht hatte den Mordvorwurf aber abgelehnt, weil Meiwes sein Handeln vom Einverständnis des Opfers abhängig gemacht habe.

Als zweites Mordmerkmal führt Nehm nun zudem an, dass Meiwes zur „Befriedigung des Geschlechtstriebs“ gehandelt habe. Meiwes habe schon seit seiner Jugend sexuelle Fantasien über den Fetisch „junges mageres Männerfleisch“ gehabt, die er nun auslebte. Verteidiger Widmaier hielt dem entgegen, dass es bei der Tötung von B. nicht um die Lustdimension der Sexualität gegangen sei. Vielmehr habe sich Meiwes mit dem Verzehr des B. einen intensiven Bindungswunsch erfüllt.

Für Nehm ging es bei den Vorgängen von Rotenburg aber sehr wohl um Lustgewinn. Immerhin habe Meiwes die Schlachtung auf Video aufgenommen und später beim Ansehen der Aufnahmen onaniert. Eine Unterbringung von Meiwes in psychiatrischer Behandlung hatte das Landgericht Kassel abgelehnt und steht auch nicht mehr zur Diskussion.

CHRISTIAN RATH