piwik no script img

Archiv-Artikel

Keine Ausgeburt der Hölle

Besser als sein Ruf? Bei einer Podiumsdiskussion verteidigt der Leiter des Grünauer Abschiebeknasts die Einrichtung

In dem auf bis zu 350 Insassen ausgerichteten Gefängnis sitzen derzeit weniger als 20 Menschen

VON SEBASTIAN PUSCHNER

Stephan Lengowski war angetreten, seinen Arbeitsplatz ins rechte Licht zu rücken. „Wir sind nicht die Ausgeburt der Hölle, als die wir in den Medien immer dargestellt werden“, sagte der Leiter des Abschiebegewahrsams im Köpenicker Ortsteil Grünau. Seine Mitarbeiter und er verfolgten gegenüber Insassen eine „den Menschen zugewandte Linie“.

Dass Lengowski damit bei der Podiumsdiskussion im Bürgerhaus Grünau am Donnerstagabend einen schweren Stand haben würde, war absehbar. „Man kann Abschiebehaft nicht human reden“, kritisierte eine Frau aus dem Publikum und verließ die Veranstaltung aus Protest – auch dagegen, dass die Grünauer Initiative für Demokratie und Toleranz als Veranstalter niemanden eingeladen hatte, der selbst in Abschiebehaft saß und aus der Betroffenenperspektive hätte argumentieren können. „Auf die Idee sind wir nicht gekommen, das ist ein echter Fehler“, gab Mitinitiatorin Minka Dott, bis 2011 für die Linke im Abgeordnetenhaus, zu. Dafür kamen zumindest die zahlreichen Abschiebungsgegner im Publikum und der Leiter der Einrichtung ins Gespräch. Sie kommen sich sonst nur bei Kundgebungen vor dem Knast nahe, wie zuletzt im Dezember. „Seit zweieinhalb Jahren redet die Initiative gegen Abschiebehaft nicht mit mir“, klagte Lengowski – um nach der Podiumsdiskussion fleißig Visitenkarten an die Aktivisten zu verteilen und der Initiative eine Besichtigung des Gefängnisses anzubieten. Rückmeldung bekam er darauf erst mal keine – niemand wollte vor Ort im Namen der Initiative sprechen.

So blieb es bei Schilderungen aus dem Knast-Innern: Die Insassen könnten sich innerhalb einer Etage frei bewegen und stünden nicht ständig unter Bewachung, sagte Lengowski. Und: „Wir achten darauf, nur Ethnien zusammenkommen zu lassen, die gut zueinander passen.“ In die Isolationshaft komme, wer andere schlage oder bestehle, die Zelle hierfür liege nicht, wie öffentlich behauptet, im Keller, sondern „im Hochparterre, direkt neben dem ärztlichen Dienst“.

Nur noch letztes Mittel

Anwalt Ralf Fischer, der seit vielen Jahren von Abschiebung bedrohte Menschen vertritt, sagte, die Lage habe sich unter dem zuletzt amtierenden Innensenator Ehrhart Körting (SPD) insofern verbessert, als Abschiebehaft in Berlin tatsächlich nur mehr als „letztes Mittel“ angewandt werde. Ob diese Liberalisierung durch die Übernahme der Innenverwaltung durch die CDU und deren Landeschef Frank Henkel bedroht sei, vermochte er nicht einzuschätzen.

Fakt ist: Den Knast in Grünau will nicht einmal mehr die rot-schwarze Landesregierung – aus Kostengründen prüft sie eine Zusammenlegung mit dem Brandenburger Gewahrsam. In dem ursprünglich auf bis zu 350 Insassen ausgerichteten Gefängnis sitzen laut dem dort tätigen Pfarrer Bernhard Fricke derzeit weniger als 20 Menschen. Trotzdem sei die bloße Existenz solcher Anstalten ein Symbol, wie mit Flüchtlingen in Deutschland umgegangen werde. Es gelte nun alle politische Energie darauf zu konzentrieren, das geplante Asylschnellverfahren am neuen Schönefelder Großflughafen BBI zu verhindern.